Um den Verschleiß etwa an Kolben und Zylinder zu messen, setzt man am Kompetenzzentrum AC2T auf ausgeklügelte Methoden. Bei diesem "Kolbenreiber" ist der Schaden schon mit bloßem Auge erkennbar.

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"Ein Chemiker sucht nach einem besseren Schmierstoff, ein Materialwissenschafter nach einem besseren Material", erklärt Martin Jech, Senior Scientist am Österreichischen Kompetenzzentrum für Tribologie AC2T, "selten wird das gesamte System betrachtet". Anders in der Tribologie, der Lehre von Reibung, Verschleiß und Schmierung, wo dem ganzen System, etwa einem Verbrennungsmotor, beleuchtet wird.

"Ein Schmierstoff kann das System auch nicht mehr retten, wenn es von vornherein falsch ausgelegt ist", erklärt der Physiker und benennt die drei Schwerpunkte des in Wiener Neustadt angesiedelten Kompetenzzentrums: funktionale Schichten und Oberflächentechnik, Schmierstoffe und Schmierstoffanwendung sowie Systemanalyse und Engineering. Das Ziel: die Optimierung des jeweiligen Bewegungssystems.

Dafür wird auf das Know-how unterschiedlichster Fachrichtungen zurückgegriffen: unter anderem Chemie, Physik, Mechanik, Konstruktionslehre, Werkstoffkunde, Materialwissenschaften bis hin zu Biologie und Medizin.

AC2T, vor sieben Jahren gegründet und seit 2002 ein Kplus-Zentrum, führt sogenannte Applikationsprojekte durch, die auf Probleme und Fragestellungen der Industrie zugeschnitten sind. Man arbeitet aber zusammen mit wissenschaftlichen Partnern auch an "Strategieprojekten" im Sinne der Grundlagenforschung.

Messen an kleinen Teilen

Die Messung von Reibung und Verschleiß ist in der Realität meist problematisch, weil man das System, beispielsweise das Getriebe, während des Betriebs nicht aufschneiden kann, um Reibkräfte zu messen oder den Verschleiß zu bestimmen. Man würde sich daher mit Prüfanlagen behelfen, wo etwa eine Kugel gegen eine Scheibe gleitet, um so den Verschleiß zu messen, sagt Jech, merkt aber kritisch an: "Diese Tests entsprechen kaum Bedingungen, wie sie etwa im Motor vorherrschen."

Mit der am Kompetenzzentrum verbesserten, hochauflösenden Methode nVCT, nanoscale wear Volume Coherence Technology, soll das Messen von Verschleißraten ("Materialverlust") im Bereich von Kubik-Mikrometern pro Stunde anhand eines Segments Kolbenring gegen ein Segment Zylinder-Liner möglich sein. Gemessen wird demnach an kleinen Teilen. "Das System Kolbenring Zylinder-Laufbuchse ist eines der maßgebenden Reibpaarungen im Motor. Es trägt einen großen Anteil am Energieverlust im Motor", erklärt Jech. Je nachdem würden so 30 bis 40 Prozent Energie verlorengehen. Es wird stark beansprucht.

Hinzukommt, dass durch die Beimengung von Biodiesel oder durch "moderne Systembedingungen zur Verbesserung der Leistung bzw. Verringerung des Schadstoffausstoßes" eines Motors das Verschleißverhalten des Systems Kolbenring-Zylinderlaufbuchse ungeklärt sei, wie Jech schildert.

Um nun den Verschleiß zu bestimmen, nutzt die nVCT-Methode die gute Detektierbarkeit radioaktiver Isotope, die sich unter Belastung aus der Probe lösen. "Sie werden über einen Ölkreislauf zu einem Detektor transportiert", schildert Jech. "Dieser misst den Anstieg der Radioaktivität." Je mehr Verschleißpartikel man habe, desto höher sei die Radioaktivität – die übrigens weit unter der Freigrenze liegt und somit ungefährlich ist, laut Gesetz gar nicht als radioaktiv gilt, wie der Forscher betont.

Herausforderung Tiefenprofil

Nach dem Zählen der Isotope, beginnt die wissenschaftliche Knochenarbeit: "Wir sind in der Lage, mit Hilfe des präzise vermessenen Tiefenprofils der Isotope das Verschleißvolumen bzw. -höhe im Nanometerbereich zu ermitteln", sagt Jech. Man habe es schließlich geschafft, ein Tiefenprofil im Bereich von wenigen Mikrometern Gesamttiefe mit entsprechender Genauigkeit messbar zu machen.

Gemessen werde "online", sprich: kontinuierlich. Dies sei wichtig, um die echten Betriebsbedingungen nachzuahmen und um auf die reale Abnützung des gesamten Systems zu schließen. Das Messprinzip arbeite dermaßen präzise, dass die Effekte unterschiedlicher Biokomponenten oder Mischungen auf Verschleißraten im Bereich von Nanometern pro Stunde unterschieden werden können.

Die Messung der Wirkung ist eine herausfordernde Sache, die Suche nach den Erklärungen eine ebenso wichtige, meint Jech. Diese Untersuchungen sowie die verbundene Analyse des Gesamtsystems sei auch deswegen möglich, weil bei AC2T auf einen umfassenden Gerätepark – vom Massenspektrometer über Gaschromatografen bis hin zum Modelltribometern – zur Verfügung steht. Immerhin seien die Messung mit nVCT nur ein Aspekt der Forschung am Kompetenzzentrum, stellt Jech fest. Letztendlich wolle man an den grundlegenden Mechanismen arbeiten, welche etwa in einem Motor auftreten, um diese in Zukunft effizienter und umweltfreundlicher zu konstruieren. (Markus Böhm /DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)