Der Linguist Hannes A. Fellner geht gern mit detektivischem Spürsinn vor.

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Auf sein Fach legte sich Hannes A. Fellner bereits sehr früh fest, nämlich im Volksschulalter. "Bis heute fasziniert mich, dass Sprache, Denken, Kultur und Gesellschaft untrennbar miteinander verbunden sind und sich für vergangene Zeiten erschließen lassen", schildert er. Fellners Fach, das ist die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, die sich mit dem Sprachwandel und seinen Gesetzmäßigkeiten beschäftigt.

Seit 2006 ist der Absolvent der Uni Wien an der Harvard University tätig. Damit hat sich der 28- Jährige seinen Lebenstraum - und zwar in Harvard angenommen zu werden - bereits erfüllt. Das Department of Linguistics bietet ihm Gelegenheit, die konstante Entwicklung von Lauten (Phonologie), Wörtern (Morphologie), Sätzen (Syntax) und Bedeutung (Semantik) zu verfolgen.

Das Tocharische, eine indogermanische Sprache, die von der Spätantike bis ins Mittelalter in Westchina gesprochen wurde, hat es dem Wiener angetan. In Manuskripten wurde es zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt, im Vergleich mit Altgriechisch oder dem vedischen Sanskrit aber lange vernachlässigt.

Seine eigene Geschichte, nämlich die fünfsprachige Großmutter sowie gute Kontakte zu (ehemaligen) Lehrenden, die frühe Förderung durch seine Eltern und Reisen in fremde Länder waren neben vielen Stipendien wichtige Bausteine seiner wissenschaftlichen Karriere. Zuletzt erhielt er einen Anerkennungspreis in der Kategorie Wissenschaft des Landes Niederösterreich.

Neben der Leidenschaft für Sprache führt er "detektivischen Spürsinn, Kombinationsgabe und Exaktheit" ins Treffen. Das Thema für die Dissertation hat er noch nicht endgültig festgelegt, aber es wird um Wortbildung in den alten indogermanischen Sprachen gehen.

Vor allem die Interdisziplinarität seines Fachs reizt den Linguisten und spornt ihn an, benachbarte Felder wie Archäologie, Evolutionsbiologie, Anthropologie etc. zu vertiefen. "Sprache macht den Menschen zum Menschen", ist Hannes A. Fellner überzeugt. Selbst beherrscht er die alten indogermanischen Sprachen, spricht Englisch, romanische und slawische Sprachen und radebricht auf Türkisch, Arabisch, Georgisch und Indonesisch.

Hannes A. Fellner verfasst nicht nur (Dialekt-)Wörterbücher, sondern betrachtet sie auch als wichtige Werkzeuge. Er möchte vermitteln, dass "Wissenschaft in der einen oder anderen Form für jeden Menschen von Nutzen sein kann und einen Beitrag leisten muss, dass es menschlicher, gerechter und friedlicher zugeht auf dieser Welt".

Mit Bürokratie geht in Cambridge (Massachusetts, USA) kaum Zeit verloren, Lehre nimmt rund zehn bis 15 Stunden pro Woche in Anspruch, und Forschung beschäftigt ihn eigentlich ständig: Oft reicht eine Ausgabe von Homers "Ilias" oder ein Gesprächspartner mit einem interessanten Dialekt - und schon "suche ich nach Rätseln, Mustern, Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten, vergleiche, rekonstruiere und stelle Theorien auf", verrät der Forscher.

Seit seiner Kindheit pendelt Hannes A. Fellner zwischen familiären Banden in Wien und Niederösterreich. Die Sommermonate verbringt er am liebsten in seinem "Studierzimmer" in der Wachau. In seiner Freizeit reist er, kocht er und spielt Gitarre. Zu seinen Faibles gehören außerdem Philosophie, Politik, Kino und Wein. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)