Der metallverarbeitende Zweig von Wien Work in Floridsdorf produziert in kleinen Stückzahlen. Abgerechnet wird zu marktüblichen Preisen.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - Andreas Melzer steht vor der Maschine und strahlt voll Stolz: Vor ihm liegt die Arbeit des vergangenen Tages. Eine perfekt ausgearbeitete, leicht schimmernde Metallscheibe von 20 Zentimeter Durchmesser, in deren Mitte ein feines Muster gefräst ist. Es sei dies der Teil einer Maschine, erklärt Wolfgang Sperl, der Geschäftsführer von Wien Work. Und fügt hinzu: "Daran sieht man: Wir sind keine Bastelbude. Und wir bieten keine Beschäftigungstherapie."

Sich von dem Image zu befreien, dass bei Wien Work nur Strohkränze geflochten und einfaches Holzgerät geschnitzt wird, ist eines der erklärten Ziele des "Integrativen Betriebs" , der früher nicht ganz glücklich "Geschützte Werkstätte" hieß. Je zur Hälfte wird die Organisation von der Volkshilfe Wien und dem Kriegsopfer- und Behindertenverband getragen. Die Mehrzahl der Mitarbeiter und Lehrlinge von Wien Work sind körper-, sinnes- oder lernbehindert; mit etwa "50 Prozent Restleistungsfähigkeit", wie es so in den Vorgaben für Wien Work steht.

Der metallverarbeitende Zweig von Wien Work liegt am nördlichen Stadtrand, in Floridsdorf, eingeklemmt zwischen Fabriken, Bürohäusern und Schrebergärten. "Just on Demand" , also in kleinen Stückzahlen, die noch dazu innerhalb kurzer Zeit benötigt werden, wird hier gefertigt. Aber auch Wien Work spürt, insbesondere der Metallbereich, scharfen Gegenwind. Umso mehr, als die Aufträge nach Marktpreisen abgerechnet werden. "Viele potenzielle Auftraggeber glauben, dass wir, nur weil wir mit behinderten Menschen arbeiten und deshalb auch staatliche Unterstützung bekommen, deshalb unterpreisig offerieren", klagt der Geschäftsführer.

Wien Work mit seinen rund 400 Mitarbeitern und fünf Standorten versucht, die schlechte Wirtschaftslage auszugleichen, indem neue Geschäftsfelder entwickelt werden. Dokumenten-Scanning ist eine dieser Ideen. Eine absperrbare Fläche im Floridsdorfer Werk ist dafür bereits reserviert.

Gefragt sind die Dienste von Wien Work im Bereich Dienstleistungen: Da werden die Rasenflächen großer Wohnhäuser gepflegt; da wird für Seniorenheime gekocht, sieben Tage die Woche. Da wurde eine Textilreinigung aufgebaut, für Großbetriebe ebenso wie für Privatpersonen.

Für Männer wie den 34-jährigen gehörlosen Andreas Melzer wäre dies nichts. Das Arbeiten mit Metall macht ihm sichtlich Freude. Derzeit absolviert er die Meisterschule für Maschinenbau. Und weil Wien Work keine Serienfertigung macht, ist die Arbeit anspruchsvoller und damit auch motivierender.

Überall sind die computergesteuerten Werkzeugmaschinen bei Wien Work minimal adaptiert, sodass sie auch von Menschen mit Behinderungen gefahrlos bedient werden können. Da gibt es Leuchtsysteme, die anzeigen, dass ein Arbeitsgang abgeschlossen ist; da sind Fräsen tiefergestellt, sodass man auch im Sitzen arbeiten kann. Die gehörlosen Arbeiter verlassen sich aber am liebsten auf ihren Tastsinn: Ob eine Maschine noch rund läuft oder vielleicht einen Defekt hat, erfahren sie am besten, indem sie das Gerät berühren. Mit der Hand, oder sie lehnen sich dran. Aber: Beim Arbeiten ist die Behinderung kein Thema.

Im Jahresschnitt werden 150 Lehrlinge bei Wien Work ausgebildet. 40 "Erstklassler" sind es pro Herbst. Die Drop-out-Rate ist nur anfangs hoch, wie Standortleiter Rudolf Seibert betont. Viele der Lehrlinge kommen aus einem Elternhaus, das sich um den Nachwuchs nicht kümmert oder mit dessen Behinderung überfordert ist. Die Arbeit des Meisters oder des Werkstättenleiters liegt dann auch darin, die Jugendlichen aufzurichten, ihnen Selbstbewusstsein zu geben und ihr Potenzial zu wecken. Statt drei Jahren dauert die Ausbildung zum Metallarbeiter hier vier Jahre. Einige sind zu Vorarbeitern aufgestiegen. Entlohnt wird nach Kollektivvertrag.

Eine ganze Reihe Wiener Unternehmen sind Stammkunden des kleinen Metallbetriebs in Floridsdorf. Die Großbäckerei Ströck lässt hier regelmäßig ihre Nirosta-Backbleche fertigen; ebenso die nahegelegene Großkonditorei Aida. Auch die Wiener Bestattung, deren Bahrwägen gut zwanzig Jahre am Buckel haben, lässt diese Rollwägen hier runderneuern. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.12.2008)