Wien - Ob Russland den Gashahn zugedreht oder die Ukraine das für Europa bestimmte Gas nicht durchlässt, könne nicht beantwortet werden, erklärte der Innsbrucker Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott im Ö1-"Mittagsjournal". Die EU habe es verabsäumt, ein Abkommen mit der Ukraine zu erzielen, um auf diese Weise die Überwachung des ukrainischen Gas-Netzes vorzunehmen. Eine Möglichkeit sei, dass ein europäisches Konsortium den operativen Betrieb übernehme.

Es sei damit zu rechnen, dass die EU der Ukraine mit Krediten aushelfen werde. Überrascht zeigte sich der Politologe über das bisherige "zurückhaltende Auftreten der tschechischen Ratspräsidentschaft". Die EU müsse aktiv in dem Streit vermitteln, fordert er.

Russlands Gaswirtschaft in der Krise

Die Hintergründe des derzeitigen Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine seien in der schlechten wirtschaftlichen Lage der beiden Länder zu suchen, so der Russland-Experte. So befinde sich die russische Gaswirtschaft in einer Krise. "Drei Fünftel des russischen Energiebedarfs werden vom Gas gedeckt", so Mangott.

Gazprom sei mit einem Rückgang der eigenen Gasförderung konfrontiert. Das staatliche Unternehmen müsste Gas aus Zentralasien zukaufen. Der Bau neuer Leitungen sowie die Erschließung neue Förderquellen koste viel Geld. Deshalb sei das Unternehmen auf marktübliche Preise angewiesen, so Mangott. Dafür nehme Gazprom auch kurzfristige Liefer- und daher auch Zahlungsausfälle von zwei bis drei Wochen in Kauf.

Die Ukraine sei in einer wirtschaftlich schwierigeren Situation als Russland. Die ukrainische Währung sei angeschlagen, und das Steueraufkommen sei eingebrochen, so Mangott. Das Land habe mehr als 16 Mrd. Euro an Krediten vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Ein höherer Gaspreis als 250 Dollar (188 Euro) pro 1.000 m3 sei für die Ukraine nicht finanzierbar. (APA)