Bild nicht mehr verfügbar.

In der Region Jamburg knapp über dem Polarkreis in Westsibirien wird das meiste für Österreich bestimmte Erdgas gefördert. Zurzeit kommt am anderen Ende der Pipeline aber so gut wie nichts an.

Foto: Reuters

Die festgefahrenen Fronten im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine haben die Energieverantwortlichen in den Hauptstädten Europas am Mittwoch von einer Krisensitzung in die nächste eilen lassen. In der Nacht auf Mittwoch ist der Gasdruck am Ende der meisten Transitpipelines auf null gefallen, darunter auch in Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und dessen Beraterstab reagiert darauf mit einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Stromerzeugern wurde nahegelegt, die von ihnen betriebene Gaskraftwerke nach Möglichkeit auf Kohle- oder Ölbefeuerung umzustellen; Großunternehmen aus der Industrie wurden ersucht, den Gasbezug über den Tag zu strecken und nach Möglichkeit Verbrauchsspitzen zu vermeiden.

"Damit" , sagte Mitterlehner in einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag, "sollten wir in den nächsten 14 Tagen bestehen können, vielleicht sogar länger." Mit einer "intelligenten Großkundensteuerung" , in die gut 100 österreichische Unternehmen vorwiegend aus den Bereichen Stahl, Chemie, Papier und Zement sowie die mit Gas arbeitenden Stromerzeuger eingebunden sind, will man sich eine Verordnung ersparen. "Funktioniert das nicht, bleibt uns immer noch dieses Instrumentarium" , stellte Mitterlehner klar.

Mitterlehner: Freiwilliges Sparen daheim  

Außerdem vermied es Mitterlehner am Mittwochabend zwar, die Bevölkerung direkt zum Heizverzicht aufzufordern. Dennoch erklärte der Ressortchef in der "Zeit im Bild 2", es könne jeder beitragen, wenn man die Temperatur in der Wohnung auch nur um einen Grad senke. Damit würden sechs Prozent eingespart. Zu frieren brauche in Österreich aber niemand.

Lösung binnen 14 Tagen

Der Minister geht davon aus, dass die Krise nicht so rasch zu beheben sein wird: "Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit zwischen Russland und der Ukraine, die nicht von einem Tag auf den anderen vertragstechnisch lösbar ist." Weil Russland aber auf Deviseneinnahmen angewiesen sei und auch die Ukraine letztlich an einer Lösung des Konflikts interessiert sein müsse, sollte innerhalb der kommenden zwei Wochen doch eine Lösung möglich sein, sagte Mitterlehner.
OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer sprach von einer "Situation, die es in den ganzen 40 Jahren unserer Geschäftsverbindungen mit Russland nicht gegeben hat" . Nun mache sich bezahlt, dass viel Geld in den Ausbau der Gasspeicher und die Inlandsförderung investiert worden sei.

Gefüllte Speicher

Die Speicher seien noch zu 60 Prozent gefüllt, ein guter Wert im langjährigen Durchschnitt, wie der Chef der Regulierungsbehörde E-Control, Walter Boltz, sagte. Damit sei garantiert, dass zumindest die Haushalte in Österreich die nächsten drei Monaten sorgenfrei heizen und kochen könnten.
Schlechter als österreichischen Haushalten geht es zurzeit beispielsweise den Bewohnern von Sarajewo. In der bosnischen Hauptstadt ist am Mittwoch die Gasversorgung komplett ausgefallen.
Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow warf der Ukraine vor, Mittwochfrüh die letzte von vier Transitpipelines, über die das Gas von Russland in den Westen gelangt, unterbrochen zu haben. Naftogas-Chef Oleg Dubina wies jedoch alle Schuld für den Ausfall der russischen Gaslieferungen von sich. Russland habe am Mittwoch um drei viertel neun den Gasexport komplett eingestellt, sagte Dubin in einer Pressekonferenz in Kiew. Bis dahin habe die Ukraine seit 1. Jänner 1,4 Milliarden Kubikmeter Gas transportiert sowie 72 Millionen Kubikmeter zur technischen Aufrechterhaltung der Gaslieferungen verwendet. Für die Ukraine ist es laut Dubina gar nicht möglich, die Lieferungen zu unterbrechen, da sich alle Ventile auf russischem Hoheitsgebiet befinden.

Weniger Abhängigkeit im Westen

Weniger abhängig von russischen Lieferungen ist der Westen Österreichs. Die Vorarlberger Erdgas-Gesellschaft VEG bezieht das Gas für ihre 28.000 Kunden von der deutschen Eon Ruhrgas. Die Essener wiederum decken ihren Gasbedarf zu fast 75 Prozent aus westeuropäischen Gasvorkommen: ein Viertel kommt aus Norwegen, 18,2 Prozent sogar aus deutscher Produktion. 25,5 Prozent des Erdgases liefern die Russen. Österreich hingegen deckt 64 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. (stro, ved, jub, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.1.2008)