Die kongolesischen Studios Kabako veranstalten ein "Festival der Lügen"  – bis zum Verbiegen.

 

 

Foto: Agathe Poupeney

Die Produktionen vorwiegend internationaler Theater- und Tanzschaffender behandeln Krieg und Politik, aber auch das Showbiz.

Aller guten Dinge sind schon immer drei gewesen. Auch in Linz. Und so ist es gut und recht, den Theaterauftakt dieses Kulturhauptstadtjahres im Dreifachanlauf zu nehmen. Ein "Triptychon der Macht" des belgischen Regisseurs Guy Cassiers eröffnet die erste als "Schneesturm" deklarierte Theater- und Tanzrunde von Linz09.

Guy Cassiers bewegt sich dabei in Zusammenarbeit mit dem flämisch-belgischen Dramatiker Tom Lanoye auf exemplarische Konfliktherde in diktatorischen Regimen zu. Lanoye, durch seine Shakespeare-Bearbeitung Schlachten bei den Salzburger Festspielen 1999 bekannt geworden, ließ sich für den ersten Teil, Mefisto For Ever (13./14. 1., Hafenhalle, 19.30 Uhr), von Klaus Manns Roman Mephisto inspirieren, der den zögerlichen Aufstieg eines Starschauspielers zur Nazizeit (Gustaf Gründgens) verfolgt. Das von Toneelhuis Antwerpen vor drei Jahren produzierte und nun nach Linz eingeladene Stück beschreibt einen vom verräterischen politischen Klima unterwanderten Theaterbetrieb.
Diktatoren daheim

Wolfskers (16.1., Landestheater, 19.30 Uhr), das zweite Stück des Triptychons - der niederländische Titel bedeutet übersetzt Tollkirsche -, dringt ins Privatleben dreier Diktatoren vor: Lenin, Hitler und Hirohito. Und Atropa. Rache des Friedens (17.1., Landestheater, 19.30 Uhr), der dritte Teil, versucht sich an einer Aktualisierung der griechischen Tragödie (nach Die Troerinnen von Euripides) mit Originalzitaten von George W. Bush und Donald Rumsfeld.

Das Jahr ist lang und bietet Platz für eine zweite Trilogie: Die österreichische Regisseurin Aida Karic stürzte sich innerhalb des Themenkomplexes "Frauen, Macht und Religion" zuallererst auf Maria Stuart. Aus Krankheitsgründen muss diese für 7. Februar vorgesehene Uraufführung (Laura Ruohonen, frei nach Friedrich Schiller) nun gestrichen werden. Ein Ersatzprogramm wird bekanntgegeben. Mehr Glück wünscht man der standhaften Jungfrau von Orléans im Juni: Joan Dark. Da heißt der "Schneesturm" bereits "Sonnenbrand" . Im Dezember folgt Penthesilea nach Heinrich Kleist.

Nach den Wurzeln religiöser Konflikte sucht das Stück Territories (22./23. 1., Posthof, 20 Uhr) der jungen amerikanisch-palästinensischen Dramatikerin Betty Shamieh, das sich an einer historischen Erzählung aus dem Jahr 1187 entzündet und Machtverhältnisse zwischen Glaubensrichtungen gleichermaßen wie zwischen Geschlechtern untersucht. Diese Koproduktion mit dem Landestheater Linz in der Regie Gerhard Willerts gehört zu den Höhepunkten des Jännerprogramms.

Manchem gegenwärtigen Kriegsgebiet möchte man eine kollektive Amnesie wünschen, die schlagartig vergessen macht, wer angefangen hat und warum. Die kongolesischen Studios Kabako von Faustin Linyekula ließen sich nicht zweimal bitten und veranstalten kurzerhand ein Festival der Lügen, das mit reichlich musikalischem Support (u. a. von Texta-Mitglied Flip) in gelogene Traumwelten führt. Davon gibt es auch eine All-Night-Variante mit kulinarischem Drum und Dran!

Wahr und nicht wahr und wie darüber kommuniziert wird, davon hinterlassen Superamas einen Eindruck: Empire (Art & Politics) führt am 18. und 19. Jänner in der Hafenhalle zu den Napoleonischen Kriegen und dann zum seligen Botschafterempfang. Infotainment auf höchstem Niveau!
Eine hundertprozentige Überraschung bringt die spanische Performerin Cuqui Jerez mit. In The Real Fiction (27.1., Hafenhalle, 20 Uhr) werden sämtliche Übereinkünfte, auf die man sich am Theater üblicherweise verlassen kann, aus den Angeln gehoben. Inhalt? Geheim, vermutlich etwas zwischen "Alobi" und "Bodenda" ...

Wo Constanza Macras draufsteht, ist eine energetische Show drin. Nach Linz kommt die argentinisch-deutsche Choreografin mit Hell On Earth (24./25. 1., Hafenhalle, 20 Uhr), einer Feldforschungsarbeit mit Berliner Jugendlichen. Weiters noch im Jänner zu sehen: Die englische, der Integration beeinträchtigter und nicht beeinträchtigter Tänzer verpflichtete Company Candoco (19./20.1., Posthof), das Acco Theater Israel (30. 1., Hafenhalle) oder die slowenische Newcomerin Mala Kline mit Debut (29. 1., Hafenhalle, 20 Uhr). Und schließlich ein Klassiker der Postmoderne: Jérôme Bels The Show Must Go On (2.-4. 2., Posthof, alle 20 Uhr). Nicht versäumen! (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.1.2009)