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Stadterweiterungprojekte wie die Wienerberg-City werden vonseiten der Stadtregierung mit viel Aufwand beworben - die Qualität der Architektur kann da nicht immer mithalten.

Foto: AP/Zak

Wien ist eine Stadt mit hohem architektonischen Niveau -Die Qualität liegt in vielen kleinen Interventionen sowie im Wohnbau - Weniger rosig geht es in den großen Erweiterungsgebieten am Stadtrand zu

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Was die allgemeine Lebensqualität betrifft, belegt Wien im jährlichen Ranking der Beratungsgesellschaft Mercer weltweit den zweiten Platz. Damit liegt die Hauptstadt gleichauf mit Genf und knapp hinter Zürich. "Die Lebensqualität hängt von vielen unterschiedlichen Aspekten ab", sagt Andreas Gobiet, Präsident der Länderkammer Wien der Architektur und Ingenieurkonsulenten, "ohne Zweifel leisten Architektur und Baukultur einen wesentlichen Beitrag zu diesem Umstand - vor allem im Wohnbau."

Bauträgerwettbewerb hebt das Niveau

Fakt ist: Seit der Einführung des Bauträgerwettbewerbs im Jahre 1995 liegt das Niveau des Wiener Wohnbaus weit über dem internationalen Durchschnitt. Bei diesem, vor allem im geförderten Wohnbau eingesetzten Konkurrenzverfahren treten unterschiedliche Bauträger mit jeweils einem Architekturbüro im Schlepptau gegeneinander an. "Der Wohnbau ist europaweit auf einem sehr hohen Niveau. Hier konnte sich die Architekturszene in den letzten Jahren sehr breit entwickeln", sagt die Wiener Architektin Elsa Prochazka.

Für Experimente gibt es wenig Platz

Die hohe Qualität habe allerdings ihren Preis: "Für Experimente und für Überdurchschnittliches gibt es wenig Platz." Prochazka spielt vor allem auf Wien als Wirtschaftsstandort an. "Es gibt in dieser Stadt wenig privates Kapital. Alles, was nicht in den Bereich des Wohnbaus fällt, ist mit dem Investitionsvolumen in anderen Großstädten bei Weitem nicht vergleichbar. Wenn Wien tatsächlich eine Metropole werden will, dann muss noch Einiges geleistet werden."
Seit den Neunzigern gilt die große Aufmerksamkeit der Stadterweiterung sowie der Neunutzung von innerstädtischen Brachflächen. Riesige Ausbauareale wie Donau-City, Wienerberg-City, TownTown und Monte Laa sind realisiert, weitere Projekte wie etwa der neue Zentralbahnhof, Eurogate und Flugfeld Aspern sind in Bau oder zumindest in Planung.

Stadtmarketing

Auffällig an all diesen Projekten ist das Stadtmarketing, weniger erfreulich fällt das Zeugnis für die Architektur aus.
"Die Marketingbemühungen bei städtebaulich fragwürdigen Projekten sollen von der fehlenden Qualität ablenken", sagt der Wiener Raumplaner Reinhard Seiß. "Die Immobilienseiten der Zeitungen sind voll von diesem hohlen Immo-Jargon." Auf Anhieb wisse man, was sich hinter diesen Floskeln alles nicht verberge. "Allein schon der Anspruch einer Town oder einer City ist bei monofunktionalen und abgelegenen Projekten wie diesen abstrus."

Rathaus übernimmt oft PR-Konstrukte der Investoren

Und so kristallisiert sich Wien als eine Stadt des guten Mittelmaßes heraus. Eine hohe Qualität, darin sind sich viele Architekten einig, läge einerseits im geförderten Wohnbau, andererseits in den kleinen und singulären Architekturinitiativen: in der Sanierung, in Revitalisierungsprojekten und in den unzähligen Aufstockungen.

Wo jedoch größere Baumassen in Bewegung gebracht werden, bröckelt die Substanz. "Das Traurige in Wien ist, dass das Rathaus die PR-Konstrukte der Investoren oft als planungspolitische Argumente übernimmt", so Seiß, "einzig und allein, um von fehlenden Konzepten abzulenken." (Wojciech Czaja/DER STANDARD-Printausgabe, 10.1.2009)