Die Wheelers posieren für ihren gepflegten Lebensüberdruss: Kate Winslet und Leo DiCaprio in Sam Mendes' "Zeiten des Aufruhrs".

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Kate Winslet erhielt dafür einen Golden Globe

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Wien - Die Falle der Mittelmäßigkeit schnappt bei den Wheelers leise zu. Nach außen hin erscheinen sie wie ein glückliches Paar, das all die anderen, deren Leben in Suburbia sie teilen, ein wenig überstrahlt - sie sind spezial, also souveräner, exklusiver, eleganter. Unter der Oberfläche aber rumort es. Die Wheelers wollten niemals so sein wie ihre Nachbarn. Sie meinen immer noch, für ein viel mondäneres Dasein geschaffen zu sein, von dem sie in ihren Jugendtagen schwärmten. Doch Anspruch und Wirklichkeit sind auch in diesem Fall zwei gegensätzliche Dinge.

Der US-Schriftsteller Richard Yates hat mit Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road) einen bestechenden Roman über die fatale Dynamik einer Mittelklasse-Ehe in den 60er-Jahren geschrieben - längst gilt das Buch als einer der geheimeren Klassiker der US-Literatur. Weil es kaum über dramatische Wendungen im herkömmlichen Sinn verfügt - seine Dynamik äußert sich eher über den Argwohn im Denken -, galt es lange als unverfilmbar. Es brauchte Kate Winslet, die sich für dieses Projekt starkmachte - und nun die Rolle von Ehefrau April spielt (und dafür Sonntagabend einen von zwei Golden Globes entgegennahm): Sam Mendes, ihr Ehemann, übernahm die Regie.

Die Besetzung erscheint auf den ersten Blick wie ein Coup. Winslet und Leonardo DiCaprio, der die Rolle von Frank Wheeler verkörpert - das ist schließlich das Paar, das in James Camerons Titanic zum romantischen Inbegriff für eine ganze Generation wurde. Nun benötigt es gerade mal ein paar Minuten, bis sich die beiden mitten in der Nacht am Straßenrand wüst beschimpfen. Die Szene gibt die Tonalität des Filmes vor, der die konträren Auffassungen (und allfälligen Arrangements) der Wheelers immer wieder in verbale Auseinandersetzungen übersetzt.

Künstliche Modelle

Die Konfrontationen haben in Zeiten des Aufruhrs allerdings etwas von einem Schaukampf zweier allzu souveräner Darsteller. Die Figuren verfangen sich immer tiefer in ihren Widersprüchlichkeiten und Selbstbetrügereien, wirken aber trotz aller Gefühlsnot eher wie künstliche Modelle. Statt Gesten, in denen sich ein Ausdruck überträgt, bekommt man Posen, die wie aus einem Elia-Kazan-Film aus den 50er-Jahren wirken. Bis zu einem gewissen Grad hat das durchaus auch Berechtigung. Frank Wheeler, der jeden Tag mit dem Zug nach New York zur Arbeit fährt, taucht schließlich in ein Heer von uniformen Anzugträgern ein. Sein Leben als Geschäftsmann gleicht manchmal auch nur einer Rolle, die er sich antrainiert hat. Doch zumindest der Schmerz über die wachsende Gewissheit, dass all dies vielleicht nur Schimäre ist, sollte echt sein.

Sam Mendes, der mit American Beauty schon einmal eine zeitgenössische Variante von Lebenslügen in der Vorstadt gedreht hat, ist wiederum ein Regisseur mit einer ausgeprägten Vorliebe für tableauhafte Bilder, in denen er nichts dem Zufall überlässt. Das selbstzerstörerische Wirken der Wheelers fasst er in Einstellungen, die sie und ihr stylishes Ambiente wie in einem Coffetable-Book festhalten, aus dem es kein Entkommen gibt. Das Vorhaben des Paares, aus dem verhassten Alltag der Vorstadt auszubrechen, um nach Paris zu gehen, löst sich denn auch alsbald in Luft auf.

Auch Richard Yates suchte Distanz zu seinen Figuren, und für ihre Kleingeistigkeit kannte er kaum Gnade. Bei Mendes bleibt dieser Blick jedoch zu äußerlich, fast aseptisch. Als April mit drastischen Mitteln einen Ausweg sucht, gerinnt noch der Blutfleck auf ihrem Rock zum gefälligen Bild. Die Falle der Wheelers in dieser Verfilmung ist, dass sie in Schönheit enden. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 13.01.2009)