Wien - In keinem anderen Bereich der Gesundheitsversorgung ist nach Einschätzung des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF die Kluft zwischen wohlhabenden Ländern und armen Weltregionen so groß wie bei der medizinischen Verordnung von werdenden Müttern. In seinem nun präsentierten Jahresbericht "Zur Situation der Kinder auf der Welt 2009" heißt es, dass täglich 1.500 Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt sterben. Das Risiko ist für Frauen in den ärmsten Ländern der Welt 300 Mal höher als in den Industrienationen.

Risiko Geburt und unsachgemäße Abtreibung

Jedes Jahr kommen in den Entwicklungsländern an die 530.000 Frauen während oder nach der Geburt ums Leben. Darunter sind rund 70.000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. Am höchsten ist das Risiko für Frauen in Afrika (265.000 Todesfälle) und Südasien (187.000 Todesfälle). Die Frauen sterben qualvoll an Blutungen, Vergiftungen und Geburtskomplikationen oder an den Folgen unsachgemäßer Abtreibungen. Lebensgefährlicher Bluthochdruck, Eisenmangel, HIV-Infektionen, zu frühe oder zu kurz aufeinanderfolgende Schwangerschaften sowie Überarbeitung tragen zum hohen Risiko bei. Auch wenn sie überleben, tragen Millionen Frauen lebenslange Beschwerden und gesundheitliche Schäden davon.

"Seit 1990 starben zehn Millionen Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt", erklärte UNICEF-Direktorin Ann Veneman. "Um das Leben der Mütter und der Neugeborenen zu retten, bedarf es mehr als medizinischer Hilfe."

Weibliches Empowerment nötig

Außerdem müssten die Rechte der Mädchen und Frauen gestärkt werden, um die Gesundheit und die Überlebenschancen von Frauen und Kindern zu verbessern. So appelliert UNICEF, nachhaltig gegen Kinderheirat, Diskriminierung und Gewalt gegen Mädchen und Frauen vorzugehen und ihre Rechte zu stärken. Sie brauchen Wissen und Selbstbewusstsein, um in Fragen der Partnerschaft, Sexualität, Gesundheit und Familienplanung mitzubestimmen.

Zu wenige Gynäkologinnen

Untersuchungen zeigen, dass 80 Prozent der Todesfälle verhindert werden könnten, wenn Schwangere Zugang zu einer kontinuierlichen medizinischen Grundversorgung hätten. Die Regierungen müssen mehr investieren, um die Gesundheitssysteme für die ärmsten Familien in den Entwicklungsländern zu stärken, ist UNICEF überzeugt. "Besonders wichtig ist es, die Ausbildung von Hebammen, Ärzten und medizinischem Personal auszuweiten und Anreize zu schaffen, dass diese auch in ländlichen Regionen arbeiten."

Auf ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang wies die Österreichsprecherin von UNICEF Martha Miklin hin: "In mehreren Ländern verbieten die Männer ihren Frauen, zu männlichen Gynäkologen zu gehen. Doch es gibt zu wenige weibliche Frauenärzte."

Bei der Geburt auf sich gestellt

Die Geburt und die ersten vier Lebenswochen sind auch für die Kinder besonders kritisch. Nahezu ein Drittel aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren entfallen auf diesen Zeitraum. Weil es keine Geburtsstationen gibt oder sie sich die Hilfe nicht leisten können, bringen über 60 Prozent der Frauen in Afrika und in Asien ihre Kinder zu Hause auf die Welt - oftmals unter unhygienischen Bedingungen. Die meisten sind dabei ganz auf sich gestellt. Bei mehr als der Hälfte dieser Geburten ist kein Fachpersonal anwesend.

Hohes Risiko für jünge Mütter

Viele Schwangere sind auch schlecht ernährt und müssen bis zur Geburt hart arbeiten. Nur wenige haben die Möglichkeit, Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen, um rechtzeitig mögliche Komplikationen zu erkennen. Je jünger eine Schwangere ist, desto höher ist das Risiko für sie und ihr Baby. Bis heute werden jedoch in Südasien nahezu die Hälfte aller Mädchen und im südlichen Afrika nahezu 40 Prozent vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. 

Simbabwe: Schwangere fliehen ins Ausland

UNICEF zeigte sich am Donnerstag speziell über die Situation im afrikanischen Krisenstaat Simbabwe besorgt. "Wir hören von Berichten, nach denen sich schwangere Frauen über die Grenzen schleppen, um ihre Kinder im Ausland auf die Welt zu bringen", so UNICEF-Exekutivdirektorin Ann M. Veneman in Johannesburg (Südafrika) bei der Vorstellung des Berichts. Die Gesundheitsministerin von Südafrika, Barbara Hogan, meinte gar, dass das "gesamte südliche Afrika nun vom Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Simbabwe" betroffen sei. Es mangele an allem. "Das gesamte staatliche Gesundheitssystem ist kollabiert - selbst die Leichenhäuser funktionieren nicht mehr. Es werden jetzt schon zwei Tote in einen Leichensack gesteckt." (APA/red/pte)