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Ulrike Lunacek: "Dass es auch Familien gibt mit zwei Müttern oder zwei Vätern, können sich viele gar nicht vorstellen".

Foto: Reuters / ERIN SIEGAL

Salzburg - "Dass es auch Familien gibt mit zwei Müttern oder zwei Vätern, können sich viele gar nicht vorstellen", sagt Ulrike Lunacek. Mitte Jänner diskutierte die Chefin der Europäischen Grünen, Nationalratsabgeordnete, Außenpolitik-, Europa- und Gleichstellungssprecherin ihrer Partei in Salzburg mit dem ehemaligen Obmann der HOSI Salzburg, Gregor Faistauer, über Rechte und Pflichten für Lesben, Schwule, Bi- und Transgender-Personen im internationalen Vergleich.

Chancen gesunken

Über eines waren sich beide einig: Österreich ist in diesem Vergleich arg im Hintertreffen. Da freut sich Lunacek auch schon über kleine Erfolge: Die neue Bundesregierung habe es "tatsächlich geschafft, ins Regierungsprogramm zu schreiben, dass zur Schaffung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird". Die Chancen, "dass da was Gescheites rauskommt", bezifferte die offen lesbische Abgeordnete mit 30 bis 40 Prozent. Noch vor zwei Monaten hatte Lunacek bei einer Pressekonferenz von 50 bis 60 Prozent gesprochen.

Faistauer: Zivilpakt "nicht so schlau"

Für Gregor Faistauer sind auch 30 Prozent noch eine "zu optimistische" Schätzung. Gleichzeitig die Öffnung der Ehe für Homosexuelle und einen neuen "Zivilpakt" für Lesben, Schwule und Heteros anzustreben, wie die Grünen das tun, hält Faistauer für „nicht so schlau". Gebe es nämlich erst einmal den Zivilpakt, werde es mit der Ehe wohl nie etwas.

Rot und Schwarz gegen "Ehe light"

Lunacek dagegen sieht für die Öffnung der Ehe sogar größere Chancen als für den Zivilpakt: „Der allein wird weder mit SPÖ noch mit ÖVP kommen." Zu stark sei die Befürchtung vor allem in Kirchenkreisen, dass eine neue „Ehe light" auch für heterosexuelle Paare die traditionelle Ehe "untergraben" könnte. Eine spezifische Form der PartnerInnenschaft nur für Homosexuelle lehnt Lunacek ab: "Wir wollen Gesetze, die für alle gelten."

In den Niederlanden beides möglich

In den Niederlanden hat man solche Diskussionen indes längst hinter sich, denn dort gibt es beides: eine eingetragene Partnerschaft und die Ehe, jeweils für homosexuelle Paare genauso zugänglich wie für heterosexuelle. Die (standesamtliche) Ehe für Schwule und Lesben geöffnet haben auch Belgien, Spanien und - neu seit 1. Jänner - Norwegen. In allen vier Ländern haben homosexuelle Ehepaare auch das Recht, Kinder zu adoptieren.

Rechte und Pflichten

In etlichen anderen Ländern gibt es für homosexuelle Paare die Möglichkeit, eine eingetragene PartnerInnenschaft oder einen Zivilpakt einzugehen. In Dänemark, Schweden, Finnland, Großbritannien, der Schweiz und Island entsprechen die Rechte und Pflichten einer solchen PartnerInnenschaft weitgehend der Ehe; in Deutschland bleiben sie ein wenig, in Frankreich, Tschechien, Slowenien, Luxemburg und Andorra deutlich dahinter zurück.

Österreich als Schlusslicht

In Westeuropa bildet Österreich gemeinsam mit Italien, Griechenland und Irland das Schlusslicht in der rechtlichen Anerkennung homosexueller Paare; in Irland werde aber bereits an einer Verbesserung gearbeitet, sagt Lunacek. Auch in den ehemals kommunistischen Nachbarstaaten Österreichs gibt es zumeist fortschrittlichere Regelungen als hierzulande: In Ungarn und Kroatien etwa sind homosexuelle Lebensgemeinschaften heterosexuellen LebenspartnerInnen in allen Rechtsbereichen gleichgestellt, auch wenn es für sie keine Eintragungsmöglichkeit gibt. In Österreich und den meisten anderen Staaten Europas gilt diese Gleichstellung nur punktuell.

Neue Antidiskriminierungs-Richtlinie

Noch dieses Jahr soll eine weitere Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU kommen, kündigt Lunacek an. Damit soll auch im Dienstleistungs- und Freizeitbereich Schluss sein mit der Ungleichbehandlung von Heteros und Homos. Bisher konnte etwa einE KaffeehausbesitzerIn ein lesbisches, Händchen haltendes Pärchen ohne Weiteres aus dem Lokal werfen, erklärt Lunacek. Das soll in Zukunft nicht mehr möglich sein. Bis jetzt galt ein solches Diskriminierungsverbot nur am Arbeitsplatz.

ÖsterreicherInnen sind aufgeschlossen

Auch in Österreich könnte sich etwas bewegen: Die neue Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hat bei ihrer Angelobung angekündigt, sie wolle bis Jahresende eine eingetragene PartnerInnenschaft für Homosexuelle umsetzen. Das entspricht Umfragen zufolge auch dem Willen von etwa zwei Drittel der ÖsterreicherInnen. Bei einer 2006 durchgeführten Eurobarometer-Befragung hatten sich zudem 49 Prozent für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle und 33 Prozent für ein Adoptionsrecht schwuler und lesbischer Paare ausgesprochen.

Probleme auf Landesebene

Doch noch laufe längst nicht alles nach Wunsch, sagt der ehemalige HOSI-Aktivist Faistauer. Auch nicht im Kleinen: etwa wenn nach der Einführung eines Landesgesetzes gegen Diskriminierungen plötzlich das Frauenbüro des Landes zum Ansprechpartner aller benachteiligten Gruppen wird - und dafür "keine einzige Arbeitsstunde mehr kriegt". Oder wenn der Landesschulrat mit fadenscheinigen Argumenten eine Broschüre über Homosexualität aus den Schulen verbannt. (Markus Peherstorfer, dieStandard.at, 18.01.2009)