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Eleganz versus Zorn. Die Online-Doku "Barack & Curtis" stellt Barack Obama und HipHopper 50 Cent als Role-Models gegenüber.

Foto: EPA & REUTERS

Neben seiner Hauptrolle als größter Hoffnungsträger der Welt ist Barack Obama in einer kleineren Nebenrolle auch der erste Pop-Präsident der Geschichte: liebevoll der HipHop-Präsident genannt. Zwar erwies sich schon Bill Clinton in den 1990ern ob seiner Vergangenheit als nicht inhalierender Knuspertütenkonsument und seiner Anfälligkeit für Saxofonspielchen als popaffin, richtig glaubwürdig verkörpert erstmals Obama die Pop-Generation.

Neben einem Großaufgebot an Stars - darunter Bruce Springsteen, Shakira, Sheryl Crowe, Stevie Wonder oder der unvermeidliche Bono Vox von U2 - die im Rahmenprogramm der Inaugurationsfeier aufgetreten sind, nahm Obama im Wahlkampf des Öfteren selbst Stellung zum Thema, insbesondere zu HipHop. In einem hunderttausende Mal abgefragten Interview auf YouTube lobt er die Kunstform an sich, distanziert sich jedoch vor manchen Inhalten wie abwertenden Bemerkung über Frauen oder den inflationären Einsatz des "N-Wortes", also "Nigger".

Er hinterfragt die Oberflächlichkeit dieses auf das Selbstbild von Millionen Afroamerikanern extrem einflussreichen Genres: HipHop, wünscht er sich, solle nicht nur einen Ist-Zustand widerspiegeln, er solle sich visionär auch damit befassen, was alles sein könnte. Sogar hier schwingen also Begriffe wie "Change" und "Hope" subtil mit.

Nach persönlichen Vorlieben gefragt, nennt Obama zwei Künstler aus dem HipHop - Jay-Z und Kanye West - bevor er eingesteht, eher "old school" zu sein und lieber noch Marvin Gaye, Stevie Wonder, die Isley Brothers, Earth, Wind & Fire und andere Soul- und Funk-Künstler der 1960er- und 1970er-Jahre zu hören.

Neben diesem Interview sorgt ein themenverwandter Kurzfilm derzeit zwar für weniger Zugriffe auf YouTube. Er beleuchtet jedoch die Breitenwirkung des ersten "Black President" aus einer interessanten Perspektive. Barack & Curtis - Manhood, Power and Respect heißt eine zehnminütige Doku des schwarzen Filmemachers Byron Hurt. Darin stellt dieser das dominierende afroamerikanische Role-Model der letzten zwanzig Jahre dem neuen US-Präsidenten gegenüber - und einen Wertewandel in Aussicht.

Hurt gleicht das Image des extrem populären US-Rappers Curtis James Jackson III alias 50 Cent mit jenem von Obama ab. Esther Armah, eine schwarze Radiomacherin, setzt darin am Anfang zwei Pole: Harvard, ein Symbol des weißen Establishment, stehe für Obama und symbolisiere Impotenz, während 50 Cent für die schwarze Nachbarschaft und Virilität stehe.

Diese Mentalität habe sich tief in die afroamerikanische Seele eingeschrieben und widerspiegle sich prototypisch im 50-Cent-Albumtitel Get Rich Or Die Trying. Diese Haltung zeitigt allerdings lange schon negative Folgen im richtigen Leben.

Dieser von den Medien gehypte Lebensentwurf des wilden schwarzen Mannes, der sich alles im Leben mit Gewalt und einer Aura der Angst erobern müsse - Geld, Respekt, Frauen - , führe dazu, dass schwarze Frauen schon jetzt überwiegend die Familienoberhäupter stellten, weil die Männer Gangster spielen und dieses Spiel mit Gefängnis und Arbeitslosigkeit bezahlen würden. HipHop und Gangster-Dasein werden als schneller Ausweg aus dem Ghetto vorgebetet. 50 Cent, mit einer Biografie der sozialen Verwahrlosung, Drogen und Gefängnis einer der erfolgreichsten Vertreter dieses Typus, könnte, so Hurt, aber ein Auslaufmodell sein.

Immerhin widerlegt Obama als erster schwarzer Präsident der USA dieser Karriereweg als einzige Aufstiegsmöglichkeit und stellt das dabei mittransportierte Männlichkeitsbild infrage. Obama ist die Antithese zum zornigen Afroamerikaner. Er verkörpere Eleganz, seine Intelligenz sei eine unmittelbare und erkennbare Eigenschaft. Und Obama wisse, dass die schwarze Gangster-Attitüde mit ihrer protzigen Maskulinität nur weiße Vorurteile bestätige und eine anhaltende Unterdrückung fördere. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden.

Eine davon sei, so der Historiker Jelani Cobb, dass sie Underdogs wären und niemand erwartet hätte, dass sie es als schwarze Männer in Amerika in ihre jetzigen Positionen schaffen könnten. Dabei hat sich Obama durchaus der Codes der HipHop-Kultur bedient, die ihm auch zustehen. Obamas Vorteil gegenüber 50 Cent ist augenscheinlich: Er kann seine Frau Michelle in cooler HipHop-Manier mit zusammenstoßenden Fäusten begrüßen und wirkt dabei authentisch. 50 Cent wirkt auch im Anzug nur wie ein brutaler Gangster.

Schlimmer noch. Er wirkt in der Welt der Anzüge entwurzelt, seine Codes funktionieren hier nicht mehr. Damit stinkt er gegenüber Obama auf ureigenem Gebiet ab. Denn kein anderes Genre baut so sehr auf Authentizität wie HipHop. Auch wenn es nur Image ist. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 20.01.2009)