Anlässlich von Barack Obamas Amtsantritt begrüßt Minister Spindelegger, dass der neue US-Präsident "die Guantánamo-Verfahren ausgesetzt hat.

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Standard: Für Ihre Vorgängerin Ursula Plassnik waren die Eurobarometer-Studien, die den Österreichern im EU-Vergleich stets eine enorme Skepsis gegenüber der Union attestierten, eine große Bürde. Haben Sie vor der jüngsten Präsentation gut schlafen können?

Spindelegger: Aber ja! Es wäre auch nicht sinvoll, Umfragen dermaßen an sich heranzulassen, dass man schon davor ins Zittern kommt.

Standard: Aber erleichtert haben Sie die jüngsten Daten auch nicht?

Spindelegger: Das stimmt - weil man nach wie vor von keiner Trendwende sprechen kann.

Standard: Das Ergebnis der Kernfrage, ob die Österreicher die EU für "eine gute Sache" halten, ist im Vergleich nach wie vor schwach: Nur 39 Prozent glauben das, während dies 53 Prozent der EU-Bürger tun.

Spindelegger: Und genau daraus leite ich für mich den Auftrag ab, auch Bauchgefühle ernst zu nehmen. Deswegen begebe ich mich jetzt auf eine Zuhör-Tour durch Österreich, um mir ein Bild davon zu machen, was für die Leute die schwierigen Themen sind.

Standard: EU-Touren wie EU-Broschüren gegen die allgemeine Stimmung haben bisher jedoch kaum etwas gebracht, wie man sieht?

Spindelegger: Deswegen möchte ich da auch tiefer gehen. Denn ich glaube, dass für die Leute der ursprüngliche große Sinn, nämlich das Friedensprojekt Europa, längst als Faktum gilt. Darum möchte ich herausfinden, was sich die Bürger von der EU künftig erwarten. Wenn ich mir die Sichtweisen angehört habe, werde ich mir entsprechende Maßnahmen überlegen.

Standard: Immerhin glaubt bereits fast die Hälfte der Bevölkerung, dass die EU das Land "vor negativen Auswirkungen der Globalisierung" schützt. Wessen Verdienst ist das?

Spindelegger: Natürlich eines der EU insgesamt. Fest steht, dass man die guten Seiten der Globalisierung nützen muss. Gleichzeitig ist uns allen aber klar, dass wir gegen ihre Auswüchse anzukämpfen haben. Und genau das passiert ja jetzt, angesichts der Finanzkrise. Mit einer internationalen Finanzmarktaufsicht wird man alledem viel besser begegnen können.

Standard: Kanzler Werner Faymann forderte angesichts der Wirtschaftskrise im Parlament erneut, die Maastricht-Kriterien weiterhin flexibel anzuwenden. Und Sie?

Spindelegger: In dieser Krise geht es nicht darum, starr auf Grenzen zu blicken. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Drei-Prozent-Grenze beim Budgetdefizit einen Sinn hat, nämlich, sich nicht auf irgendwelche Abenteuer einzulassen. In der Krise muss man ein vorübergehendes Überschreiten der Maastricht-Grenze in Kauf nehmen. Für die nächsten Jahre gilt diese Vorgabe sehr wohl.

Standard:
Da heißt es dann wieder Nulldefizit?

Spindelegger: Auf Dauer muss das natürlich die Messlatte bleiben. Sonst haben das die kommenden Generationen auszubaden.

Standard: Alle anderen Parteien, also SPÖ, FPÖ, BZÖ, Grüne, planen, in der Wahlschlacht für die anstehende EU-Wahl im Juni auch Versäumnisse der EU - vom nicht in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon bis zum Verschleppen einer Sozialunion - anzuprangern. Da kann doch die ÖVP schlecht weiterhin nur die Vorzüge der Union preisen?

Spindelegger: Schönreden werden wir sicher nichts, aber wir werden unsere Grundsätze klar vertreten. Und einer lautet, dass uns Europa schützt und nützt.

Standard:
Wer soll schwarzer Spitzenkandidat werden?

Spindelegger: Der- oder diejenige, die es uns ermöglicht, bei der Wahl Erster zu werden - Genaueres werden Sie aber erst im März erfahren.

Standard: Schon was von "Krone" -Boss Hans Dichand gehört, wie er bisher mit Ihrer Amtsführung zufrieden ist?

Spindelegger: Nein. Ich habe auch nicht vor, mich in ein Monitoring von einer Zeitung zu begeben. Für ein Gespräch stelle ich mich aber allen Medien gern zur Verfügung.

Standard: Noch ein Blick über den Teich: US-Präsident Barack Obama will das Gefangenenlager Guantánamo schließen. Soll die EU einen Teil der ehemaligen Insassen aufnehmen?

Spindelegger: Österreich und seine Partner in der EU setzen sich dafür ein, dass die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bei der Terrorismusbekämpfung berücksichtigt werden. Ich begrüße daher, dass der US-Präsident die Guatánamo-Verfahren ausgesetzt hat. Es liegt aber primär an den USA, humanitäre Lösungen zu finden.

Standard: Würde sich Österreich prinzipiell zur Aufnahme bereit erklären?

Spindelegger: Nein. Wir haben klare Regelungen für die Zuwanderung und für das Asyl. Und diese können wir nicht einfach übergehen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2009)