Wien - Werbung hat im vergangenen Jahr wieder mehr polarisiert als in den zwei Jahren zuvor: Im Jahr 2008 gab es mit 227 Beschwerden deutlich mehr Beanstandungen als noch im Jahr 2007 (113), bilanzierte der österreichische Werberat (ÖWR) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

"Firstload" und drei weitere gestoppt

Die 227 Beschwerden bezogen sich auf insgesamt 133 Sujets. Trotz einer Verdoppelung der Beschwerdefälle musste der Werberat nur viermal den sofortigen Stopp einer Kampagne ausrufen - 2007 war es achtmal. Die Stopps betrafen die Werbung zum Computerspiel "Mercenaries 2 - World of Flames" wegen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen sowie die Werbung für die Internetseite "Firstload.at" wegen sexuell anstößiger Darstellung (dazu eine Zitrone).

Frauendiskriminerung, Seximus und Aufdringlichkeit

Die meisten Beanstandungen betrafen Frauendiskriminierung - in 28 Fällen - gefolgt von sexistischen Darstellungen, die mit 25 Beschwerden im Vergleich zum Jahr 2007 stark angestiegen sind. Platz Drei auf der Hitliste der Beschwerdegründe belegte aufdringliche Werbung, resümierte Roswitha Hasslinger, Vize-Präsidentin des ÖWR.

International brisante Themen wie Alkohol oder Männerdiskriminierung in der Werbung spielten in Österreich hingegen keine Rolle.

Plakate vor Fernsehspots

Für die größte Aufregung sorgten Werbe-Sujets auf Plakaten. Mit großem Abstand folgten Spots in Fernsehen und Internet sowie Anzeigen in Printmedien. Verurteilt wurde weiters die Homepage einer Fleischerei, wo mit Genitalien für Fleischprodukte geworben wurde.

Spargel-Jane am Telefonbuch

Als sexistisch empfanden die WerberichterInnen ein Inserat der Leondinger Spargelbauern, die neben einem überdimensional großen Spargelstengel eine halbbekleidete Frau in lasziver Pose abgebildet hatten. Das Spargel-Inserat befand sich allerdings auf der Rückseite eines Telefonbuchs und konnte daher nicht zurückgezogen werden. In solchen Fällen soll der Richterspruch immerhin pädagogische Wirkung haben, zur Sensibilisierung beitragen und weitere Schaltungen verhindern, erklärte ÖWR-Vorstandsmitglied Peter Drössler.

Zungenkuss der Aufreger schlechthin

Die meisten Beschwerden gab es im Vorjahr zur Plakatwerbung von Bet at home anlässlich der Fußball-Europameisterschaft. Stein des Anstoßes war der Zungenkuss zwischen österreichischen und deutschen Fußballfans. Der Werberat sprach hier zwar kein Verbot aus, riet aber dazu, in Zukunft ein anderes Sujet zu verwenden.

Neue Aufstellung

Der Werberat hat sich im Jahr 2008 vollkommen neu aufgestellt, die Wahl des 90-köpfigen Gremiums im Oktober bildete den Höhepunkt des Restrukturierungsprozesses, so ÖWR-Präsident Michael Straberger. Heute sei der Werberat deutlich schneller als noch vor einem Jahr - Beschwerden würden heute innerhalb von sechs Tagen durchgeführt.

Selbstbeschränkungskodex ausbauen

Im laufenden Jahr will der ÖWR vor allem den Selbstbeschränkungskodex weiterentwickeln und das so genannte Copy Advice professioneller zu machen. Hier können Werbetreibende sich bereits vor Erscheinen einer Kampagne absichern, ob sie den nationalen und internationalen Codizes entspricht. Straberger hofft auf finanzielle Unterstützung für den Werberat seitens der Bundesregierung und der Sozialpartner. Bis Jahresende sei der Vereinsbetrieb ausfinanziert, danach sei die Zukunft offen. (APA)