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Ein Gesetz zu den Provinzratswahlen am 31. Jänner 2009 hält die von der USA durchgesetzte Bedingung einer 25-prozentigen Frauenquote im Parlament aufrecht. Aber diesmal werden die Namen der KandidatInnen den WählerInnen genannt. Viele Frauen werden nun wohl aufgrund von Sicherheitsbedenken von der Kandidatur absehen.

Foto: REUTERS/Atef Hassan

Bagdad - Eigentlich wollte die 38-jährige Lehrerin bei den ersten Regionalwahlen seit vier Jahren im Irak Ende Jänner kandidieren - bis sie feststellte, dass auf den Wahllisten nicht mehr wie bisher nur ihre Partei genannt würde, sondern ihr voller Name. "Ich fühle mich so schutzlos", sagt sie. "Ich werde nicht antreten, denn ich habe Angst um die Sicherheit meiner Familie", betont sie und besteht darauf, dass ihr Name nicht genannt wird.

Obwohl die Gewalt nachgelassen hat, fürchten wie sie viele irakische Frauen immer noch Verbrechen und Aufruhr. Die Lehrerin, eine Sunnitin, die sich selbst als politisch unabhängig bezeichnet, stammt aus Bakuba, einem früheren Zentrum der Al-Kaida im Irak, gut 50 Kilometer nordöstlich von Bagdad. Das Terrornetzwerk und andere sunnitische Extremisten haben schon oft eher gemäßigte Sunniten angegriffen, die mit der irakischen Regierung oder mit den von den USA geführten Truppen zusammenarbeiten.

Frauenrolle und Islam

Frauen haben nach der Verfassung zwar die gleichen Rechte wie die Männer, was Wahlen, Eigentum und Gerichtsfähigkeit betrifft. Doch in der irakischen Gesellschaft herrschen tiefe Meinungsverschiedenheiten über ihre Rolle und die des Islam.

Frauenanteil im Parlament vorgeschrieben

Unter heftigem Druck der USA haben die IrakerInnen einer Frauenquote von 25 Prozent bei den letzten Wahlen für Parlament und Provinzverwaltungen zugestimmt, die beide 2005 abgehalten worden waren. Ein Gesetz zu den Provinzratswahlen am 31. Jänner 2009 hält diese Bedingung aufrecht. Aber diesmal ist der entscheidende Unterschied, dass die Namen der KandidatInnen den WählerInnen genannt werden müssen.

Frauen verzichten wegen Sicherheitsbedenken auf Kandidatur

Beim letzten Mal erschienen dagegen auf den Wahllisten nur Zahlen und Symbole der politischen Parteien. Das kam gut organisierten politischen Gruppierungen zugute. Doch vielen WählerInnen fehlte der Bezug zu ihren gewählten RepräsentantInnen. Die namentliche Nennung soll dem vorbeugen, doch zugleich hält es viele qualifizierte IrakerInnen und besonders Frauen aufgrund von Sicherheitsbedenken von der Kandidatur ab. Inzwischen wird schon befürchtet, dass gar nicht genug Frauen antreten werden, um die 25-Prozent-Quote zu erfüllen.

Für Said Arikat, Sprecher der UNO-Mission im Irak, ist dieses Phänomen nicht überraschend: "Manche Statistiken zeigen, dass Frauen in den Ländern, die von geschlossenen zu offenen Wahllisten übergehen, nicht so gut damit fahren." Allerdings kann nach seiner Einschätzung die Umstellung auch für Männer schwierig sein: "Zu Wahlen im Irak anzutreten, erfordert Mut und Engagement von allen Kandidaten."

Aufmerksamkeit vermeiden

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo PolitikerInnen das Rampenlicht suchen, versuchen IrakerInnen gewöhnlich, zu viel Aufmerksamkeit für ihre Person zu vermeiden. Zehntausende Menschen sind schon umgebracht worden, weil sie tatsächlich oder angeblich US-Maßnahmen unterstützt haben oder weil sie Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Parteien zum Opfer gefallen sind.

Wie groß die Gefahren sind, zeigt ein Vorfall, bei dem Bewaffnete kürzlich in ein Haus einbrachen und den Bauunternehmer Mohammed Radhi al-Halfi ermordeten. Halfi hatte als Unabhängiger für die Regionalwahlen von Basra kandidieren wollen, der früheren Hochburg schiitischer Milizen im Süden des Irak. "Wir glauben, dass die kommenden Wahlen sehr riskant sind, besonders für die Unabhängigen, deren Namen dann offengelegt werden", sagt Halfis Bruder Haider. "Wir haben unser Bestes getan, ihn von der Kandidatur abzuhalten, aber es war vergeblich, und das hat ihn das Leben gekostet."

Frauen unter Kritik

Die Gefahr ist für Frauen noch größer. Sie werden schon kritisiert, wenn sie nur Make-up benutzen oder keine Kopftücher tragen - ein Verhalten, das Extremisten als unislamisch verurteilen. Frauen werden auch dann misstrauisch beäugt, wenn sie die traditionellen Verhaltensweisen ignorieren, die ihnen verbieten, sich unter Männern aufzuhalten oder eine öffentliche Rolle zu bekleiden.

Kandidatur trotz aller Widrigkeiten

Inaan Hamid, die 2005 für größte schiitische Partei in die Bagdader Provinzverwaltung einzog, wird trotzdem wieder kandidieren - allerdings so unerkannt wie möglich: "Ich werde mein Bild nicht auf ein Wahlplakat setzen. Ich werde auch keine Massenmedien einsetzen. Ich werde mich ganz auf die Leute verlassen, die mich kennen und deshalb wählen", sagt sie. "Es ist eine Katastrophe, dass die Namen öffentlich gemacht werden müssen", fügt die frühere politische Gefangene und fünffache Mutter hinzu und zählt stolz auf, was sie alles schon erreicht hat: vom Aufbau von Lehrstellen für Frauen bis hin zum angemessenen Schadenersatz für Opfer von Gewalt.

Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht akzeptiert

Die frühere irakische Frauenministerin Nirmin Othman, die inzwischen Umweltministerin ist, äußert Verständnis für die Angst vieler Frauen. Gleichwohl sei die Teilnahme an den Wahlen wichtig, um den Irak weiter zu verändern. "Wir brauchen Frauen in Bezirkstagen, Provinzverwaltungen und im Parlament - einfach überall, wenn wir wollen, dass unsere Belange bei der Entscheidungsfindung gehört werden", sagt sie. Doch selbst Frauen akzeptierten die Gleichberechtigung von Mann und Frau oftmals nicht: "Wir müssen die Frauen überzeugen, für Frauen zu stimmen", sagt sie. "Es ist nicht einfach." (APA/AP)