"Weißt du, wem du es verdankst, dass du Schriftsteller geworden bist?" "Ja, Theo. Dir natürlich!"

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STANDARD: Hallo Onkel, ich fang einfach an zu fragen, ja?

Glattauer: Ja, Theo, gute Idee!

STANDARD: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Glattauer: Das Schreiben ist zu mir gekommen - als rettende Idee. Ich war drei Jahre älter als du und heillos, nein, nicht in den Fußball vernarrt, sondern in Susi verliebt. Mündlich hab ich es irgendwie nicht gut rübergebracht. Also hab ich ihr ein Gedicht geschrieben. Schlimmer noch: Ich hab das Gedicht bei einer Lesung in der Schule vorgetragen, ich habe ihr also öffentlich meine Verliebtheit erklärt. Die Anfangsbuchstaben jeder Strophe haben, von oben nach unten gelesen, das Wort "Susi" ergeben. Sonst war das Gedicht eher schwach. (Texte, mit denen man zu viel will, werden nie gut.) Und Susi ist in den Boden versunken vor Scham. Aus Susi und mir ist nichts geworden, dafür aus dem Schreiben und mir!

STANDARD: Was bist du eigentlich? Ein Journalist oder ein Schriftsteller?

Glattauer: Sagen wir: ein Schreiber. Das ist der Überbegriff. Das andere sind Berufs- und Berufungsbezeichnungen. Wenn ich einen Zeitungsbericht schreibe, bin ich Journalist. Wenn ich einen Roman schreibe, bin ich Schriftsteller. Wenn ich Tagebuch schreibe, bin ich Tagebuchschreiber.

STANDARD: Du schreibst noch Tagebuch?

Glattauer: Aber nein, das war nur wegen des Vergleichs. Ich will mich jedenfalls nicht über einen bestimmten Job definieren. Ich finde es verdächtig, wenn wer ständig nach außen kehrt, welche berufliche oder schöpferische Tätigkeit er ausübt. Wenn ich mich am Abend mit Freunden treffe, bin ich weder Schriftsteller noch Journalist.

STANDARD: Was bist du dann am Abend?

Glattauer: Eine Privatperson.

STANDARD: Weintrinker.

Glattauer: Gut beobachtet, Theo!

STANDARD: Oder Frauenversteher.

Glattauer: Theo, wenn man ein Interview macht, spöttelt man nicht, sondern stellt Fragen. Das sind journalistische Grundsätze.

STANDARD: "Gut gegen Nordwind" ist ein Frauenversteher-Buch, sagt Onkel Michi. Trotzdem ist es ein Erfolg. Wie viel verdient man damit?

Glattauer: Beim Hardcover, über den Daumen gerechnet, zwei Euro pro verkauftes Exemplar. Ein Euro für die Steuer, ein Euro bleibt mir.

STANDARD: Dann musst du schon ganz schön reich geworden sein. Warum hast du noch immer deinen uralten Fiat?

Glattauer: Weil er noch immer fährt. Und mit dem Reichtum bei einem Romanschreiber ist das so eine Sache. Bleibt der Erfolg aus, bleibt das Geld aus.

STANDARD: Darum hast du jetzt einfach eine Fortsetzung von "Gut gegen Nordwind" geschrieben?

Glattauer: Nein, das war nicht der Grund. Ehrlich nicht! Es wäre auch dumm, einen Bucherfolg strecken und dehnen zu wollen. Wenn der neue Roman, "Alle sieben Wellen" hinter "Gut gegen Nordwind" zurückbleibt und sich wie ein lauer Aufguss liest, dann werde ich das bitter büßen, dann werden die Kritiker über mich herfallen.

STANDARD: Also warum hast du dann eine Fortsetzung geschrieben?

Glattauer: Weil ich ein halbes Jahr lang täglich von allen Seiten gehört bzw. in der Mailbox gelesen habe, dass die Geschichte meiner Romanfiguren Emmi und Leo nicht so enden darf, wie sie im "Nordwind" endete. Der zweite Grund: Mir taugt die E-Mail-Form, ich wollte noch einmal so schreiben dürfen. Für mich ist es faszinierend, mich abwechselnd, oft in Sekundenintervallen, von einer Person in eine zweite zu versetzen, von der Leo-Rolle in die der Emmi zu schlüpfen. Plötzlich hatte ich eine Idee, dann habe ich mir drei Monate Zeit gegeben, um zu probieren, ob ich einen Übergang schaffe und in die Fortsetzungsgeschichte finde.

STANDARD: Hast du hineingefunden?

Glattauer: Ja, habe ich. Und ich habe auch wieder hinausgefunden. Deshalb gibt es jetzt Alle sieben Wellen.

STANDARD: Wirst du traurig sein, wenn das Buch ein Misserfolg wird?

Glattauer: Das klingt so, als würdest du damit rechnen.

STANDARD: Wirst du traurig sein?

Glattauer: Theo, ich weiß, dass du mit dieser Liebesgeschichte nicht viel anfangen kannst. Du bist auch nicht das Zielpublikum.

STANDARD: Wirst du traurig sein?

Glattauer: Ja, das kannst du annehmen. Meine ganze Umgebung wird unter meiner Mieselsucht leiden. Ganz besonders du, Theo.

STANDARD: Aber im Fußball kann man auch nicht immer nur gewinnen.

Glattauer: Ich weiß. (Ich bin seit dem sechsten Lebensjahr Wiener-Sportklub-Anhänger, derzeit Regionalliga Ost.)

STANDARD: Außerdem kannst du ja wieder voll als Journalist arbeiten. Wenn dich der Standard nicht mehr nimmt, kannst du's vielleicht bei "Österreich" probieren, die suchen immer junge Talente. (THEO LACHT.) STANDARD: Warum hast du eigentlich mit dem "dag" -Kastl aufgehört?

Glattauer: Es ist mir einfach zu viel geworden.

STANDARD: Was kann einem da zu viel werden? Das sind ja nur 50 ganz kurze Zeilen. Meine Deutsch-Hausübungen sind mindestens doppelt so lang.

Glattauer: Ich hatte nach fast 15 Jahren "dag" das Gefühl, dass mein Zenit erreicht ist, dass mir langsam der Schmäh ausgeht. Wenn man als Kolumnist einmal selbst bemerkt, dass man sich thematisch immer öfter wiederholt, und dass man sich immer mehr anstrengen muss, um sein Niveau zu halten, sollte man, sofern es möglich ist, etwas anderes machen, oder sich zumindest eine Pause verordnen. Für mich war der Zeitpunkt ideal, weil jetzt mit Alle sieben Wellen viel Werbetamtam und Monsterlesereisen in Österreich, Deutschland und der Schweiz auf mich zukommen. Deshalb mache ich ein Jahr Standard-Pause.

STANDARD: Und danach?

Glattauer: Das wird von den Entwicklungen in diesem Jahr abhängen.

STANDARD: Weißt du, wem du es verdankst, dass du Schriftsteller geworden bist?

Glattauer: Ja, Theo. Dir natürlich!

STANDARD: Du darfst das ruhig ausführlicher erzählen. Das wissen nicht alle.

Glattauer: Okay. Dieser Theo hier hat mir vor 14 Jahren im Brutkasten (er war eine Frühgeburt) per Augenzwinkern zu verstehen gegeben, dass es ihm ein Anliegen ist, dass ich ihn jedes Jahr zu Weihnachten im Standard porträtiere, stellvertretend für alle Kinder des jeweiligen Alters. Nach drei Jahren ist man beim Döcker-Verlag auf die Idee gekommen, ich sollte aus den Theo-Erlebnissen und Perspektiven ein Buch machen. So entstand 1997 Theo und der Rest der Welt. Damit war mein Buchschreibbann gebrochen.

STANDARD: Dein erster Roman "Der Weihnachtshund" ist verfilmt worden.

Glattauer: Ja leider.

STANDARD: Was ist da schlecht daran?

Glattauer: Äh ..., ich hab einmal einen Vertrag unterschrieben, in dem ich versprechen musste, mich in der Öffentlichkeit nicht mehr negativ darüber zu äußern. Also: Es ist ein Superfilm, richtig schöner deutscher Klamauk fürs Fernsehen! Jedes Jahr zu Weihnachten wird er irgendwo ausgestrahlt. Und die haben dann sogar eine Filmfortsetzung gemacht: "Zwei Weihnachtshunde" . Genial, auf solche Ideen muss man erst einmal kommen!

STANDARD: Dein zweiter Roman "Darum" ist auch verfilmt worden, fürs Kino. Ich war sogar bei der Premiere dabei.

Glattauer: Ich auch.

STANDARD: Mir hat er gefallen. War aber kein großer Kassenschlager, oder?

Glattauer: Nein leider. Schade. Mit dem Projekt hatte ich mitgefiebert. Aber beim Film kann man nie wissen, was rauskommt und wie es aufgenommen wird.

STANDARD: In der Schule werden deine Bücher schon im Deutschunterricht verwendet. Würdest du sie als Weltliteratur bezeichnen?

Glattauer: Nein, Theo. Ich hab wahrscheinlich nicht das Zeug dazu, etwas literarisch Einmaliges zu schaffen und neue Maßstäbe zu setzen. Es ist auch gar nicht mein Anliegen. Für mich ist Schreiben eine Dienstleistung für Gleichgesinnte, für Menschen, die ähnlich ticken und ähnliche Ansprüche, Sorgen und Freuden haben wie ich - und da gibt es zum Glück viele. Ich erzähle gerne Geschichten, die die Lesenden selbst betreffen, in denen sie sich erkennen, die ihre eigenen Gefühle widerspiegeln oder gar wecken. Mir ist es ein Bedürfnis, Lesenden aus der Seele zu schreiben, sie zu unterhalten und in Spannung zu versetzen, sie zum Lachen und zum Weinen ...

STANDARD: Danke, Onkel Dani, ich hab's schon verstanden. Letzte Frage: Wer wird Weltcupsieger?

Glattauer: Was für ein Weltcup?

STANDARD: Skiweltcup, was sonst? Also wer gewinnt den Herrenweltcup?

Glattauer: Bode Miller?

STANDARD: Der ist schon abgeschlagen.

Glattauer: Dann der, der gerade führt. Der hat das größte Selbstvertrauen.

STANDARD: Okay, hören wir auf.

Glattauer: Journalistisch heißt das: "Danke fürs Gespräch" !

STANDARD: Gerne!

(Theo Glattauer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 23./24.01.2009)