Joe Lechner kämpft beim Vergleichstest gegen kalte, klamme Finger, aber da muss er durch.

Foto: glu

Der Wind pfeift eisig kalt über die Motocross-Strecke in Parndorf. Das Thermometer zeigt eine handvoll unter Null. Die Windräder rund ums Fahrerlager könnte man leicht mit riesigen Ventilatoren verwechseln.

Joe Lechner feilt am Gewichtstuning.
Foto: glu

Joe Lechner würde am liebsten gleich gar nicht abladen, so unsportlich sind die Bedingungen. Ich habe klamme Finger und mir tut schon leid, dass ich den Joe letzte Woche beim Endurieren mit der 250er und 400er fragte: "Und, gibt es einen Unterschied zwischen der neuen 400er und der 450er?" Die beiden Motorräder sind bis auf den Motor identisch. Der Motor hat um eine frühere Pony weniger Volumen, weil man den Hub der 450er von 63,4 Millimeter auf 55,5 Millimeter reduzierte. Er hat wohl weniger Leistung und etwas weniger Kompression. Ob sich das in Summe so arg auswirkt? Joe kannte auf diese Frage nur eine Antwort: "Probieren wir es aus."

Die 450 reißt im Drehzahlkeller stärker an.
Foto: glu

Abwechselnd fahre ich eine Runde mit der 450er und eine mit der 400er auf der Crossbahn. Die ersten Turns brauche ich, um abzuchecken, wo man auf der vereisten Strecke fahren kann und wo nicht. Joe ist da weniger umsichtig. Er fährt mit der 450er raus. Er reißt im ersten Anleger schon ordentlich am Gas und springt den ersten Table voll durch.

Blankes Eis in der Bremszone kaschiert sich mit ein wenig Erde.
Foto: glu

Was er noch nicht weiß, ich aber schon: Dort, wo er zu bremsen anfangen wollen wird, ist blankes Eis. Und damit das Eis den Joe nicht blendet und im Sprung irritiert, liegt ein bisserl Sand drauf. Grad so viel, dass man die Eisplatte nicht sieht.

Da schau her! So kalt und doch so eine Hetz!
Foto: glu

>>> Springen statt Schlingern

Der Joe ist aber ein Blitzkneisser. Wie er in die Bremsen greift und die 450er zum Schlingern anfängt wie die Schürzenjäger nach dem Kameradschaftsball, beschließt er den nächsten Anleger einfach als Absprung zu nutzen. Filmreif steht er diesen Sprung und quer am Anlauf zum letzten Sprung.

Dort wo kein Schotter am Eis liegt, ist es Schnee.
Foto: glu

Bei dem Wetter ist außer uns aber eh niemand auf der Strecke. Die Anleger sind knochenhart und in den Spurrinnen zwischen den Anlegern stand das Wasser, als die Temperaturen fielen, wie sonst nur ich vom Motorradl. Das heißt, du musst am Anleger voll anstoffen, weil sobald es dich in die erste Rille zieht, fährst du auf blankem Eis. Da gibt es keine wirkliche Gelegenheit zum Beschleunigen. Auch das Anbremsen hat auf Eis so seine Tücken. Am einfachsten hab ich mir getan, wenn ich kurz vor der Kurve einfach auf die Erste runter geschalten und eingekuppelt habe. Irgendwie hat sich die Fuhr schon dafangen, und ich konnte moderat ums Eck.

Beim Spazierenhupfen machen sowohl die 400er als auch die 450er Spaß.
Foto: glu

Ums Eck ist dann auch genau die Maßeinheit, um welche die 450er stärker ist als die 400er. Die Große reißt an wie ein Zahnarzt am Weisheitsbeißer. Jeder kleine Dreh am Gasgriff wird sofort in Hinterradumdrehungen umgewandelt. Auf dem harten Boden von Parndorf schießt dich die 450er über die Tables drüber, dass dir Hören und Sehen vergeht. Dabei ist aber das Fahrwerk auf der weichen Seite. Eh klar. Vergessen wir nicht, dass wir eine Enduro über die Motocross-Piste jagen.

Im harten Enduroeinsatz spielt die 400er ihre Vorteile aus.
Foto: glu

Das Fahrwerk der 400er ist mit dem der 450er ident. Was auch kein Wunder ist, wenn bis auf den Motor alles gleich ist. Und es ist jetzt nicht so, dass man sofort erkennt, ob man auf der 450er oder der 400er sitzt. Man merkt schon, dass die 450er von unten heraus mehr anschiebt. Aber der Unterschied ist jetzt nicht so groß, dass ich, wenn ich der Herr KTM wäre, hergegangen wäre und gesagt hätte: "Da brauchen wir auch noch eine 400er."

Doch Runde um Runde wird der Unterschied klarer. Und das geht so weit, dass ich anfange, mit der einen zwei Runden zu fahren, mit der anderen nur eine. Zwei mit der einen, eine mit der anderen. Und am Ende lass ich dem Joe die 450er ganz. Ich derreit sie nicht mehr. Ich bin zu müde. Die unbändige Kraft der Großen zwingt mich in die Knie. Für den Joe, den Vollprofi, ist die 450er auf der Crosspiste natürlich ein Traum. Mich Nudler schont die 400er. Sie verzeiht es eher, wenn ich wieder einmal ins Gas falle. Sie macht mich nicht so fertig. Mit ihr halt ich um zig Runden länger aus.

Auch wenn die 400er neben der 450er steht, sind die beiden nicht voneinander zu unterscheiden.
Foto: glu

Mörderisch ist der Unterschied im Endurogelände. Wenn die 450er einfach durchreißt, die Kraft nicht mehr auf den Boden bringt, kannst mit der 400er noch bestehen, fährst locker rauf, weil sie noch Traktion aufbauen mag. Für mich ist der Fall klar. Ich greife zur 400er. Gerade auf der Crosspiste und auch beim Terra X-Dream-Ski-Jöring im Februar. Nur wenn das Gelände sehr selektiv wird, greif ich noch zur 250er. Joe Lechner taugt die 400er auch – im sehr selektiven Enduro-Gelände. Beim Crossen ist ihm die 450er lieber. Er schöpft gerne aus dem Vollen. Beim Ski-Jöring wird er aber vermutlich auch zur 400er greifen. (Text und Fotos: Guido Gluschitsch)