Superfantastisch: Franz Ferdinand

Foto: Christian Fischer

Ein Heimspiel unter freiem Himmel.

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Wien - Ein Hype ist seiner Natur nach eine ephemere Erscheinung, ein zartes Pflänzchen. Heute am Dach der Welt, morgen in den Kellern von Ottakring. In der Popkultur, in der Halbwertszeiten immer noch weiter nach unten gebeugt werden, ist Hype längst zu einem eigenen Kulturphänomen geworden. Dieser Wanderpokal des „neues heißen Scheiß" wird fast schon täglich weitergereicht, Bands, die vor einem Monat noch die Entdeckung waren, sind längst kalter Kaffee.

Die Schotten von Franz Ferdinand, 2003, 2004 selbst als Hype zur Welt gekommen, halten sich dagegen mit erstaunlicher Hartnäckigkeit. Und zwar mit Musik, die tendenziell immer noch besser ist, als jene vieler ihrer Mitbewerber. Und gerade im Franz-Ferdinand-Kosmos gab und gibt es da einige.
Immerhin hat das Quartett aus Glasgow mit ihrem 2004 erschienen Debüt eine Welle an Trendsurfern und Trittbrettfahrern ausgelöst. Franz Ferdinand ließen Rock wieder frisch und aufregend klingen. Und zwar mit einer Besinnung auf eine Zeit, die bezüglich Innovation im Pop als Goldene Ära gilt: die Zeit des Post-Punk. Also die späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre, in denen dies- und jenseits des Atlantiks formal die Grenzen der Popmusik erweitert wurden.

Franz Ferdinand verhielten sich herkunftsloyal und montierten aus Errungenschaften von britischen Bands wie XTC oder Gang of Four einen zackig-forschen Rock, der auch am Dancefloor funktionierte. Eskapismus mit Stil. Diese Rezeptur entpuppte sich als Erfolgsmodell, bald gingen die Fans weltweit vor Alex Kapranos, Nick McCarthy, Bob Hardy und Paul Thomson in die Knie - und mit ihnen Legionen von Kopisten dieser herzhaften Kopisten an den Start.
2005 folgte etwas zu rasch das Folgewerk You Could Have It So Much Better das lediglich die Formel des Erstling wiederholte. Ende letzter Woche ist ihr drittes Album Tonight: Franz Ferdinand (Domino/Hoanzl) erschienen, am Samstag gastierte die berühmt gewordene Doppel-F im Rahmen der Geburtstagsfeier des Radiosenders FM4 in der Wiener Arena.

Im Vorfeld des Erscheinens meinte Sänger und Gitarrist Alex Kapranos, er hätte Franz Ferdinand selber nicht mehr sehen und hören können. Eine Geißel des Hypes heißt nämlich Omnipräsenz und unter der leiden vor allem ihre Hauptdarsteller. Also machte sich die Band rar, mietet sich in einem alten schottischen Theater ein und nahm sich viel Zeit für ihr drittes Werk. Dieses beweist nun die Entwicklungsfähigkeit der Band.

Zwar sucht und findet sie weiterhin ihr Glück im kantigen Drei-Minuten-Pop-Song, der wird aber nicht mehr so bedingungslos im Stechschritt absolviert wie etwa zurzeit des zweiten Albums. Unter Einsatz eines analogen Synthesizers und der etwas dominanteren Produktion des Bass‘ fetten die Schotten ihre neuen Songs auf und erhöhen damit ihren unterschwelligen Groove erheblich.
Dennoch: Franz-Ferdinand-Musik ist und bleibt Weißbrotmusik. Harte Kruste, weicher Füllung. Selbst ein vergleichsweise souliges Midtempo-Stück wie Send Him Away lässt nie und nimmer an schwarze Musik denken. Auch damit bleiben sie vorlagengetreu, war doch eine der wesentlichen Vorgaben des Post-Punk, nicht nur einen neuen Rock auf der ewig-gültigen Blues-Basis zu formulieren, sondern ohne diese musikalischen Kolonialismus eine eigene Sprache zu finden. (Auch wenn das kein Diktat war und zur selben Zeit Post-Punk gerade auch mit schwarzen Stilen wie Dub experimentierte.)

Das experimentellste Stück, das Franz Ferdinand auf Tonight bieten, ist Lucid Dreams, in dem der Synthesizer besonders prägend Einsatz findet und das Stück mit über sieben Minuten Spielzeit ab seiner Mitte als Mini-Oper im Stile von The Human League - eine Post-Punk-Synthie-Formation aus Sheffield - ausklingen lässt.

Im Geiste von XTC

Tonight ist das bislang vielfältigste Werk der Schotten, ein aufregend-eingängiges Popmeisterwerk, das einmal mehr an die Vorbilder von XTC erinnert - ihres Zeichens ebenfalls auf ewig hohem Qualitätsniveau wandelbare und vielseitige Geister. Live in der Arena schlug der Band zwar schon ob ihrer bloßen Anwesenheit Euphorie entgegen, das Konzert blieb jedoch weitgehend routiniert, ein bisserl feig. Mit neuen Nummern geizte die Band sehr, kreuzte lediglich souverän durch alte Hits wie das heftig empfangene Take Me Out oder das knackige Do You Want To.
Ein etwas gewagteres Set mit mehr Zugeständnissen ans neue Album hätte der Darbietung nicht geschadet. Vielleicht war Kapranos aber auch etwas geschwächt. Zumal er kurz vor dem Auftritt eine heftige allergische Reaktion auf böse Erdnüsse hatte. Dafür durfte sich anschließend die Rot-Kreuz-Mannschaft über ein ihr zugedachtes Liedchen freuen.
Ein Interview mit Franz Ferdinand lesen Sie kommenden Freitag im RONDO. (Karl Fluch/DER STANDARD-Printausgabe, 26. Jänner 2009)