Schieles „Bildnis eines Herren" zeigt Carl Reininghaus und soll bei Sotheby's zwischen 209.000 und 313.000 Euro bringen.

Foto: Standard/Sotheby's

London - Februar, Mai, Juni und November, das sind jene Monate, die für den Kunstmarkt eine Schlüsselrolle spielen. Die dann in London und New York erzielten Umsätze aus Auktionen fungierten in den letzten Jahren stets als Stimmungsbarometer. Die Anfang Februar in London abgehaltenen Versteigerungen der Sparten Impressionist & Modern Art sowie Contemporary & Post War sind mehr als nur der offizielle Saisonauftakt.

Von deren Performance leitet man immer auch Prognosen für den Rest des Jahres ab.
Die Nachfrage im Mai und Juni liefert in der Jahresfolge dann einen Zwischenstand aus den beiden Metropolen. Die meisten der im Februar und Mai für einzelne Kunstwerke bewilligten Rekorde können ihre Positionen bis zur Veröffentlichung der zehn höchsten Zuschläge eines Jahres halten, so nicht im November New York dazwischenfunkt.

Auch im vergangenen Jahr hatten die Vergleichsauktionen im Februar Rekorde beschert: Beim Evening Sale der Sparte Impressionist & Modern Art notierte Christie's nach exakt 100 Besitzerwechseln 139,6 Millionen Euro (105,4 Mio. Pfund). Einen Tag später übertrumpfte Sotheby's diese Vorgabe mit einem Abendtotal von 154,62 Millionen Euro (116,69 Mio. Pfund) nach nur 67 Zuschlägen.

Im Rückblick, und vor allem im Vergleich zu 2007, waren die erzielten Umsätze von 138,8 Millionen (Christie's) und 143,69 Millionen Euro (Sotheby's) tatsächlich stattlich ausgefallen. Die aktuellen Erwartungen sind bescheidener, ebenso die Anzahl der angebotenen Kunstwerke.
Mit der Akquisition scheinen die Giganten Christie's und Sotheby's ein Problem zu haben: Nicht nur wegen der nunmehr kaum noch im Vorfeld erteilten Preisgarantien, sondern auch aufgrund offensichtlicher Unsicherheiten auf Einbringerseite. Es grassiert die Angst, dass ehemals hochdotierte und kunsthistorisch relevante Kunstwerke im aktuellen Klima nicht die ausreichende Wertschätzung erfahren.

Akquisitionsprobleme

Noch 2008 hatte beispielsweise Christie's insgesamt 131 Positionen in der Abendsitzung ins Rennen geschickt, aktuell sind es am 4. Februar gerade mal 47, für die immerhin 60 Millionen Pfund erwartet werden. Sotheby's speckte sein Aufgebot für den 3. Februar von 76 auf nur 30 Kunstwerke ab, die zwischen 40 und 55 Millionen Pfund einbringen sollen. Insofern werden die kommende Woche erzielten Umsätze mit solchen aus den Vorjahren auf den ersten Blick nicht vergleichbar sein.

Noch krasser ist der Unterschied in der Kategorie Contemporary & Post War: Von 84 (2008) reduzierte Christie's für den 11. Februar auf 31, Sotheby's (5. Februar) von 79 auf 27. Die vergangenes Jahr bei den Abendsitzungen dieser Sparte erzielten Umsätze (Christie's: 70,4 Mio Pfund; Sotheby's: 45,76 Mio Pfund) sind damit fürs erste definitiv Geschichte, aktuell hofft man auf zumindest 16,5 (Sotheby's) bzw. 15 (Christie's) Millionen Pfund. Vermutlich ist diese Diät nicht einmal die schlechteste Strategie. Zugeständnisse sind eine Ausnahme geblieben: Bei Sotheby's geht nur Bridget Rileys Gala (600.000-800.000 Pfund) mit einer Preisgarantie an den Start, bei Christie's Eduard Vuillards Les Couturières (5,5-7,5 Mio. Pfund), bis Herbst 2008 in der Londoner National Gallery als Leihgabe, sowie Pablo Picassos Buste d'homme (1,2-1,8 Mio. Pfund).

Rekordanwärter halten beide Häuser: Bei Christie's sind es beispielsweise Claude Monets museales Dans la Prairie aus dem Jahr 1876 (Taxe 15 Mio. Pfund) sowie Toulouse-Lautrecs intime Darstellung zweier Freundinnen (L'abandon, 5-7 Mio. Pfund), das von 1926 bis 1931 Teil der Sammlung Max Liebermanns war.

Bei Sotheby's dürfte man mit der Bronze einer Tänzerin von Edgar Degas (9-12 Mio. Pfund) ebenso punkten können wie mit Ernst Ludwig Kirchners Straßenszene von 1913 (5-7 Mio. Pfund) oder Oskar Kokoschkas prachtvoller Istanbul-Ansicht, 2008 durch Tschechien an die Erben nach Oskar Federer restituiert.

Für finanzkräftige Liebhaber zeitgenössischer Kunst wartet Sotheby's mit einem marktfrischen Lucio Fontana auf: Concetto spaziale von 1961 (5-7 Mio. Pfund) könnte den im Februar 2008 bewilligten Künstlerrekord (netto 9,2 Mio. Pfund) übertreffen. Christie's hält einen Abramowitsch-Zhukova-Lockvogel dagegen, der auch für die 2010 in Moskau geplante Bacon-Retrospektive von Interesse sein könnte: 2008 hatte Abramowitsch für ein Triptychon von Francis Bacon stolze 86,28 Millionen Dollar berappt - jetzt wartet das seit 40 Jahren erstmals zum Verkauf stehende Gemälde Man in Blue VI für verführerische vier bis sechs Millionen Pfund. (Olga Kronsteiner/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2009)