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„Wozu denn noch Amerikaner sein ohne den Kalten Krieg?" - Ungeschönt zeigte John Updike in seinem großen Romanwerk das Denken mancher seiner Zeitgenossen.

 

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Wien - „Kann Glück nicht ganz einfach eine Frage des Orangensafts sein?", fragte John Updike 1989. Der Satz steht in seiner Autobiografie Self-Conciousness Memoirs (dt.: Selbst-Bewusstsein. Eine Erinnerung), mit der er unberufeneren Biografen seines Lebens zuvorzukommen gedachte - und in akademischer Gründlichkeit und Fußnotensorgfalt Parallelen dieses selbst-beschriebenen Lebens mit jenem der Protagonisten in seinen Romanen aufzeigte.

Der Orangensaft spielte für deren „Pursuit of Happiness" allerdings eine eher nachgeordnete Rolle. Es waren die Rituale des umsichtig inszenierten Ehebruchs, der schuldbewussten Lust, deren Abläufe John Updike in seinen weit über zwanzig Romanen und über 200 Erzählungen mit stilistischem Glanz variierte.

Der akademischen „Updike Industry", den zahlreichen Forschungsarbeiten über sein Werk blieb es vorbehalten, den religiösen Charakter zu entdecken, den der 1932 in der amerikanischen Provinz, in der Kleinstadt Shillington in Pennsylvania, geborene Autor und bewusste Christ der Sexualität, die er detailreich schildert, zuschreibt. Nur in ihr könne der moderne Mensch die Erfahrung der Transzendenz zumindest erahnen.

Bleibt zu unterstellen, dass dem Großteil jener Millionen Menschen, die Updike zum Rang eines der meistgelesenen US-Autoren verhalfen, jene Ahnung oft fremd blieb. Sie entschädigte der Autor durch überreiche Möglichkeiten der Identifikation mit seinen Figuren. Eng geknüpft war deren Leben an die Entwicklungen der USA im 20. Jahrhundert, als deren Chronist Updike vielen galt.
Zumal jenes von Harry „Rabbit" Angstrom, Updikes bekanntester Schöpfung. 1960 erblickte Harry in Rabbit, Run (dt.: Hasenherz) erstmals das Licht der literarischen Welt: Ein sechsundzwanzigjähriger Verkäufer in der amerikanischen Provinz, der angesichts der Schwangerschaften seiner alkoholabhängigen Frau und seiner Geliebten, einer Prostituierten, nur in der Flucht eine Rettung sieht. Die wilde Hoffnung auf Erlösung zeitigt indes ein immer stärkeres Verheddern Angstroms, der die Angst nicht zufällig im Namen trägt, in der gefühlten Schuld.

Ideologen des Alltags

Zum Serienhelden avancierte Harry spätestens ein Jahrzehnt darauf, 1971, als Updike dem „Roman der Eisenhower-Ära", wie er Rabbit, Run genannt hatte, einen zweiten Rabbit-Roman folgen ließ: Rabbit Redux (dt.: Unter dem Astronautenmond). Der wie sein Autor um zehn Jahre gealterte Harry wird nun seinerseits von seiner sich emanzipierenden Frau verlassen. Mondlandung, Studenten-, Emanzipations- und Antikriegsbewegung, die prägenden ideologischen Erscheinungen des Amerika der Sechzigerjahre, sind es, deren mehrfach gebrochenen Widerschein im Alltag einer Ehe der Arbeiterklasse irgendwo im Nirgendwo Updike einfängt.

Wiederum zehn Jahre später, 1981, begegnet der Leser in Rabbit is Rich einem unversehens in Reichtum und Saturiertheit angekommenen Harry Angstrom. Vor dem Hintergrund von Watergate, Vietnamkrieg und Ölkrise skizziert er ein trauriges Bild des US-Bürgertums, für das er von der begeisterten Kritik mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.

Rabbits Rückkehr

Folgte 1990 Band vier, Rabbit at Rest - und das Ende der Reagan-Ära, in der ein wohlstandsverfetteter Harry Angstrom seine Tage golfspielend in Florida hinbringt und der allmählichen Öffnung gen Osten wenig abgewinnen kann: „Wozu denn noch Amerikaner sein ohne Kalten Krieg?" Der Herzinfarkt, an dem Updike ihn 55-jährig sterben ließ, beendete ein wenig frohes Leben - welchem Updike, versteckt in einer Kurzgeschichtensammlung, wieder zehn Jahre später einen Epilog widmen sollte: In Licks of Love fügte er 2000 den Roman Rabbit Remembered ein, wo er, möglicherweise in ironischer Variation des „lieto fine" der Mozart-Opern, Angstroms überlebende Familie noch einmal versammelte.

Spiegelte die Rabbit-Serie US-Befindlichkeiten Jahrzehnt für Jahrzehnt, unternahm der späte Roman In the Beauty of the Lilies (dt.: Gott und die Wilmots), den ein Großteil der Kritik als Updikes Hauptwerk bezeichnete, den anspruchsvollen Versuch, das gesamte 20. Jahrhundert in Form einer Familiensaga über vier Generationen zu zeichnen.

Verfilmungen wie die der Rabbit-Romane oder jene der Hexen von Eastwick (1984) steigerten einmal mehr Updikes Popularität, beleuchten in ihrer Vereinfachung der subtilen Handlungs- und Themenverflechtungen jedoch ungewollt die Kunst und ironische Anspielungsvielfalt des Anglisten - Die Hexen von Eastwick etwa bezog sich auf Nathaniel Hawthornes Roman Der scharlachrote Buchstabe aus dem Jahr 1850 -, die John Updike zu einem der wesentlichen US-Autoren des 20. Jahrhunderts werden ließen. Einem der seit Jahren immer wieder genannten Kandidaten für den Nobelpreis.

Am Dienstagmorgen starb John Updike, der seit über dreißig Jahren mit seiner zweiten Frau Martha Ruggles Bernhard zurückgezogen in der Nähe von Boston gelebt hatte, 76-jährig an den Folgen eines Lungenkrebsleidens. (Cornelia Niedermeier/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2009)