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Franz Ferdinand erscheint bei Domino/Hoanzl

Foto: REUTERS/Andrew Winning

Gar so neu und anders, wie es gerade in der Fachpresse gepriesen wird, ist es dann doch nicht geworden, das neue Album von Franz Ferdinand. Von einer unerwartet experimentellen Platte war im Vorfeld die Rede gewesen, stärker von Disco beeinflusst, elektronisch gar. "Wir haben nur analoges Equipment benutzt, keine eigentliche Elektronik. Ich mag es nicht, wenn Sounds ausschließlich am Rechner generiert werden.

Bei anderen Musikern kann das schon in Ordnung sein, wir arbeiten aber - bislang - nicht auf diese Weise", weiß Alex Kapranos, Sänger, Gitarrist und Frontmann von Franz Ferdinand, Erwartungen zurechtzurücken, das schottische Quartett könnte möglicherweise gar in Radiohead'sche Klangwelten weggedriftet sein. Kapranos sitzt mit einem Plastikbecher Tee in der Wiener Arena und lässt den üblichen Staffellauf von Fragestellern höflich und auskunftswillig an sich vorbeiziehen. Am Abend wird er hier mit seiner Band gewohnt flott und adrett auf die Bühne treten und dabei große Teile des eben erschienenen dritten Albums der Gruppe in die Nacht spielen.

Installierung eines neuen Sub-Genres

Für die Aufnahmen zu Tonight: Franz Ferdinand hat sich die Band für eineinhalb Jahre in ein altes Theater in Glasgow eingemietet und selbiges neben dem üblichen Gitarrenbandinstrumentarium mit allerlei alten Synthesizern, vorsintflutlichem Tastenwerk und Equipment aus Zeiten, in denen Herren noch öfter Hüte trugen, vollgeparkt. Nach den - mit einigen Millionen abgesetzten Einheiten - nicht bloß für eine traditionelle Indieband immens erfolgreichen ersten beiden Alben Franz Ferdinand und You Could Have It So Much Better und der damit einhergehenden, quasi eigenhändigen Installierung eines neuen Sub-Genres in der Gitarrendisco, sah sich die Band - laut eigenen Angaben auch, um sich selbst nicht zu langweilen - zu dezenter Neuorientierung bewegt.

Die spätestens mit ihrem Debütalbum 2004 salonfähig gemachte überdeutliche Bezugnahme auf schnittige Stücke der Postpunk-Helden Gang of Four und die quengelnden Gitarren von Wire oder der Rückgriff auf New Wave und die Früh-Achtziger-Popsensibilität des in Glasgow ansässigen Labels Postcard Records mit den Acts Orange Juice und Josef K ist heute längst zum Allgemeinplatz verkommen. Nur mehr mit einiger Mühe gelingt es, sich in Erinnerung zu rufen, was denn Indierock-Bands davor eigentlich in ihren Proberäumen so an Musik zusammengedreht haben. Im selben Fahrwasser, zwar freilich nicht Franz Ferdinand selbst nacheifernd, aber sich an ähnlichen Quellen abarbeitend, sind Bands wie Maximo Park, The Futureheads oder The Rakes die Folgen gewesen - und die waren dabei noch die interessanteren Combos der neuen Welle der New Wave.

Alex Kapranos: "Es gibt Passagen auf unseren beiden ersten Alben, die Art, wie wir Songs geschrieben haben, die sich damals für uns als sinnvoll und auch - in musikalischer Hinsicht - erfolgreich erwiesen haben, die wir aber dieses Mal nicht mehr wiederholen wollten und konnten. Dieser typische Post-Punk-Sound hat sich mittlerweile wirklich totgespielt."

Starke Identität

All die Minikorgs, Minimoogs und russischen Polivoks-Synthesizer, die für Tonight: Franz Ferdinand also als neu aufgewertete Sounderzeuger herangezogen worden sind, haben überraschend wenig daran geändert, wie die Stücke von Franz Ferdinand klingen. Das Blubbern, Brutzeln und Zwitschern, das da meist dem großen Gott Psychedelia huldigend den Geräten entlockt wird, dient meist als bloße Zusatzklangfarbe, als gern willkommen geheißener Effekt, da und dort eingestreut. Die altbekannte Strukturierung der Songs ist dabei kaum angetastet worden.

Kapranos: "Wir wollten uns nicht allzu radikal verändern, so, dass die Band dann nicht mehr Franz Ferdinand gewesen wäre. Es ist eine gute Sache, als Band eine starke Identität zu haben. Wir sind Franz Ferdinand und auch sehr froh und glücklich darüber." Und so leiert diese Band Franz Ferdinand nach wie vor zickige Melodien und scharfkantige Riffs aus ihren Gitarren. Wenn auch heute weniger hypernervös ständig "Originalität" schreiend und nicht ganz so offenkundig am Post-Punk-Kanon interessiert wie noch vor ein paar Jahren.

Zartes Experiment

Einige Stücke sind dabei stärker als bisher an richtigen Dancetracks orientiert - man erinnere sich an Kapranos' wohl bis hinauf in alle Ewigkeiten herbeizitierten, seinerzeit eigentlich recht beiläufig eingeworfenen Spruch vom "Making Music to Make Girls Dance". Ulysses, die aktuelle Single, oder No You Girls, die vermutlich nächste Auskoppelung, sind fix im Kosmos Franz Ferdinand verankerte Popsongs, jedoch jeweils mit einem so straight galoppierenden Beat im Intro versehen, dass auch ein mäßig talentierter DJ sie gar in ein Techno-Set zu integrieren vermag.

Oder Lucid Dreams, das Stück, das laut Kapranos jetzt schon die Meinungen teilt: An das Ende von rund vier Minuten recht konventionellem Liedgut haben Franz Ferdinand da einen Instrumentalteil geschweißt, der die Band gänzlich auf Discomodus eingestellt zeigt und das Stück zwischen maschinellem Groove und fließendem Krautrock auf acht Minuten aufbläst. Kapranos: "Meine Mutter hat zu mir gesagt, dass sie unsere neue Platte wirklich sehr gerne mag, nur über Lucid Dreams meinte sie: ,Alex, das ist wie einer dieser furchtbaren langen, experimentellen Songs auf einer sonst sehr guten Beatles-Platte. Den muss man immer überspringen.'" Da hat die Frau Mutter der Band ein schönes Stück Lob in die Kritik hineingepackt, ganz so Unrecht wird sie nicht haben.

So ist Franz Ferdinand eine saubere Indierock-Platte gelungen, die dem Drahtseilakt zwischen der Bewahrung alter Rezepte und dem - wenn auch noch etwas hasenherzigen - Willen zum Experiment wie gehabt mindestens drei, vier zwingende Hits abgewinnen kann. Diese werden, da muss man nicht grob angestrengt orakeln, wieder die Tanzflächen von hier bis dort fluten. Man soll ja nicht unbedingt immer gleich hinter jedem neuen Knöpfchendreher, vergraben unter vierzehn Kilo Kabelsalat eine Neudefinierung der musikalischen Weltformel erwarten. (Philipp L'Heritier/RONDO/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2009)