"Sonst sieht man als Frau nie 'normale' nackte Typen, außer sie liegen neben einem. Wir sehen sie weder in der Werbung noch beim Pornogucken. Da kommen immer nur irgendwelche Megatypen vor. Wir wollen mit unseren Typen zeigen, was denn 'da draußen' so los ist", meint Elke Kuhlen vom "Jungsheft".

Foto: dieStandard/Tombor

Es ist ungleich schwieriger, Frauen zu finden, die sich fürs Heft ausziehen, weiß Elke: "Es trauen sich auch Männer, die keinem 'Idealbild' entsprechen. Genau die wollen wir ja. Die Jungs sehen das - anders als die Frauen - als Mutprobe glaube ich." Eines haben sie aber gemeinsam: Ob männlich oder weiblich, wünschen sich fast alle Models, mit einer Fotografin zusammenzuarbeiten.

Foto: Cover Jungsheft

Dass die voyeuristischen Bedürfnisse von Männern bedient werden, ist Alltag. Man muss nicht mal nachfragen, ob die Trafikantin den Playboy oder Hustler hat, man sieht die einschlägigen Peep-Mags prominent in den Verkaufsläden. Wenn man als Frau einen nackten Mann sehen will, muss man Pornos schauen. Oder ihn ins Bett kriegen. Einfach so, nackt, selber nicht involviert und unten ohne, bleibt da nur das Playgirl – das gibt's am Kiosk aber äußerst selten. Oder man schafft es, einen Typen zum Ausziehen naturalistischer Studiengründe wegen zu überreden. Anstrengend!

Das haben sich auch die beiden Kölnerinnen Elke Kuhlen und Nicole Rüdiger gedacht. Und Nägel mit Köpfen beziehungsweise Hefte mit Schwänzen gemacht. Nach dem Motto: Scheiß' drauf, wir ziehen das einfach durch. Einmal, für unsere FreundInnen.

Dabei ist es nicht geblieben. Vom "Jungsheft – Porno für Mädchen" erscheint im April bereits die sechste Ausgabe, 5.000 Stück gehen in Druck. Und weil am Markt für Männer immer noch Platz ist für ein weiteres Magazin, haben Elke und Nicole das "Giddyheft – Porno für Jungs" nachgeschoben. Ausgabe Vier kommt ebenfalls im April in den Online-Handel. Auf eigene Kosten, eine prekäre Angelegenheit – aber "für die Sache!" Und es macht Spaß, sagt Elke Kuhlen, mit der sich Birgit Tombor für dieStandard.at getroffen hat, um die Co-Herausgeberin und Co-Chefredakteurin ein wenig abzuklopfen, was Idee und Praxis anbelangt.

dieStandard.at: Ihr schreibt im zweiten Heft, im "Glück"lichen Editorial: "Für die Sache". Welche Sache? (Elke lacht) Vom Feminismus grenzt ihr euch ab, oder?

Elke Kuhlen: Unser Projekt hat alles andere als feministische Hintergründe gehabt. Eher praktische: Wir wollten einfach den Typen von nebenan nackt sehen. Go for it! Es gab auch schon Reaktionen von Feministinnen der alten Schule, total nette Frauen, die aber zutiefst enttäuscht waren, dass wir das überhaupt nicht aus feministischer Ader heraus gemacht haben, nach dem Motto: Es gibt doch schon so viel für Männer, wir machen jetzt was für Frauen.

dieStandard.at: Kamen auch Angriffe?

Elke Kuhlen: Nicht wirklich. Wir haben der "Emma" unser bisher einziges Rezensionsexemplar von "Lecker" (die Erstausgabe vom Jungsheft, Anm.) zukommen lassen – das machen wir normalerweise nicht, das ist zu teuer -, aber wir dachten, die machen doch sicher was darüber. Sie haben uns vollkommen ignoriert.
Als das Giddyheft dann erschienen ist, bekamen wir generell zu hören, was das denn jetzt soll.

dieStandard.at: Mit welchen Ambitionen seid ihr ursprünglich an das Projekt "Jungsheft" herangegangen?

Elke Kuhlen: Das war total naiv. Eigentlich eine Schnapsidee. Nicole und ich waren damals beide vergeben und mit Freunden in Urlaub. Es gab da einen Mann, der war so schön, und wir haben uns Gedanken gemacht, was wir machen könnten, damit wir den mal nackt sehen können. Da wurde uns klar, dass wir Frauen ganz normale, coole Typen eigentlich nie nackt sehen können, außer sie liegen schon neben uns im Bett. Und wir haben uns überlegt, wie wir diesen Umstand ändern könnten. Zum Glück war dann eine Freundin von mir aus den USA, die Grafikerin und Fotografin ist, zu Besuch, die gesagt hat: "Ich mach' Fotos für euch." Fancy, schwarz-weiß, einmalige Sache.

Wir haben begonnen, nach Jungs zu suchen, die sich gerne ausziehen wollten. Das hat eine Zeit lang gedauert. Jede hat erstmal ihre Adressenliste durchgesehen und im erweiterten Freundeskreis durchgerufen. Von denen, die du anrufst, macht's natürlich keiner, aber man erzählt anderen Jungs davon, erzählt's seinem Mitbewohner, der sagt es seinem Cousin und der sagt: "Ich mach's vielleicht." Dann hatten wir die Fotos. Schwarz auf weiß. Und dachten uns, dass es eigentlich schade ist, wenn das so schlecht kopiert ist.

Also sind Nicole und ich an unsere Ersparnisse gegangen und haben beschlossen, 1000 Exemplare drucken zu lassen und alle unsere Freunde kriegen die dann zu kaufen. So hat's angefangen.

dieStandard.at: Ums Geschäft ging es euch nicht?

Elke Kuhlen: Wenn ich das vorgehabt hätte, muss ich ganz ehrlich sagen, hätt' ich nicht die Eier gehabt... wenn ich mir vorher über die ganze Rechtslage Gedanken gemacht hätte. Die Idee ist über Nacht entstanden, es war nie auf längere Sicht hin angelegt. Ein Zufallsprodukt. Aber der Ball rollt.

Seitdem angeln wir uns von Heft zu Heft. Es ist zum Teil echt überfordernd. Und es ist auch schon ganz schön viel schief gegangen. Aber solange wir selber Spaß daran haben, und uns dadurch nicht in den finanziellen Ruin treiben, machen wir weiter! Mittlerweile sind wir auch schon bei einer Auflage von 5000. Der Druck frisst extrem viel bei uns, der kostet uns fast 10.000 Euro. Was daran liegt, dass wir extrem unökonomisch sind. Viel zu teures Papier. Wir finden das aber schön so. Sonst müsste man auch anfangen, Anzeigen zu verkaufen. Oder in Polen drucken zu lassen. Aber darum geht's uns nicht, um die Wirtschaftlichkeit.

dieStandard.at: Stichwort schief gegangen – welche Probleme habt ihr denn gehabt?

Elke Kuhlen: Markenrechtliche. Für die ersten beiden Ausgaben haben wir unwissentlich Namen genommen, die schon geschützt waren. Dabei war "Lecker" der perfekte Name für das Heft! Das zweite Mal wurden wir wegen dem Titel "Glück" verklagt und mussten zahlen, beim ersten Mal waren die Leute nett. Außerdem ist es rechtlich gesehen ein ganz schmaler Grad mit dem Onlinevertrieb, da wir nicht gewährleisten können, dass das Heft ausschließlich Personen ab 18 Jahren beziehen. Es ist ja ein "Porno"magazin, auch wenn wir das selber nicht so sehen. "Porno" deshalb, weil wir es dem Deutschen Gesetz nach so deklarieren müssen.

Ich hatte ja nie verlegerische Ambitionen. Es war, wie gesagt, eine Schnapsidee, und das macht's gelegentlich auch schwierig, weil keine von uns Grafikerin, Fotografin oder Journalistin ist. Ich booke hauptberuflich Bands. Nicole macht nochmal was völlig anderes. Wir sind unglaublich angewiesen auf andere Leute, die ganze Zeit. Was auch schön ist. Aber es macht die Sache auch schwieriger.

dieStandard.at: Im Jungsheft findet frau nicht nur nackte Männer, sondern auch viel Text, inklusive einem Serviceteil, sozusagen. Kolumnen, mit denen man was anfangen kann. Über den"Lick-Job" zum Beispiel, in dem gut gemachter Cunnilingus beschaulich beschrieben wird.

Elke Kuhlen: Ja, das war ein schöner Beitrag. Die Texte stellt man uns gratis zur Verfügung. Manchmal bin ich nicht ganz einverstanden, mit dem was kommt, aber wenn die Leute gratis arbeiten, kann man schwer nein sagen. Durch meinen Hauptjob hab ich viel mit Leuten von "Intro" oder "spex" zu tun. Etliche von dort schreiben auch für uns. Es gibt auch viele, die auf mich zukommen und sagen: Komm, ich schreib' mal was für euch. Worüber ich auch dankbar bin und froh. Manchmal kommt auch was zurück, wo ich mir denke, das geht ja gar nicht. Das muss ich dann fairerweise auch nehmen. Aber letztlich stehen nur Sachen drinnen, Fotos, hinter denen Nicole und ich hundertprozentig stehen.

dieStandard.at: Wie schaut euer Arbeitsalltag mit den Heften aus?

Elke Kuhlen: Wir haben keine Redaktionsräume oder sonstwas. Nicole und ich hassen den Monat, wenn die Hefte verschickt werden. Du machst dann jeden Abend das selbe "Meine kleine Post"-Spiel: Adresse vom Kontoauszug abschreiben, Büchersendungsstempel auf den Umschlag, Briefmarke drauf, Heft rein, umdrehen, Loch machen, verschließen, zur Post gehen. Das ist fast die intensivste Zeit, die ich mit dem Heft verbringe. Ansonsten überlegen wir uns die Themen für die nächste Ausgabe, sammeln die, holen die Autorinnen an Bord, kümmern uns um die Fotos. Die Grafikerin, Amelie, ist schon seit der zweiten Ausgabe dabei. Sie ist mittlerweile die einzige, die Geld bekommt. Nicht viel. Ein Journalistenfreund macht dann die Schlussredaktion.

dieStandard.at: Könnt ihr in etwa sagen, wer euch liest? Mehr Frauen oder Männer?

Elke Kuhlen: Unsere Leserschaft ist ca. 70 Prozent weiblich und zwischen 18 und 35 alt, was das Jungsheft angeht. Das merkt man, weil das Feedback relativ stark ist. Außerdem verschicke in der Regel 20 Hefte auf einen Schlag, da kann ich gut sehen, wohin und an wen das Heft geht. Ob das Männchen oder Weibchen ist. 70 Prozent der Hefte gehen in größere Städte. Auch nach Österreich gehen die Hefte, nach Wien und Linz. Relativ viele sogar, wenn man bedenkt, dass es dann nochmal teurer zu beziehen ist.

dieStandard.at: Denkst du, dass eure Leserinnen das Jungsheft als "Wixvorlage" nutzen oder aus anderen Motiven kaufen?

Elke Kuhlen: Als Wixvorlage, ne. Auf unseren Parties sieht man das am besten: Viele Frauen sehen das als kleine Werkschau. Was es denn so an Männern gibt. Sonst sieht man als Frau ja nie normale nackte Typen. Wir sehen sie weder in der Werbung noch beim Pornogucken. Da sind immer irgendwelche Megatypen drinnen. Wir wollen mit unseren Typen zeigen, was denn "da draußen" so los ist.

dieStandard.at: Naturalistische Studien quasi.

Elke Kuhlen: (lacht) Nicht alle Typen in unseren Heften sind "schön", da müssen wir uns nichts vormachen. Die Typen, die bereit sind, sich auszuziehen, sind nicht gerade die Muskelpakete. Wir suchen die Jungs eben nicht nach bestimmten Standards aus. Gutes Aussehen ist aber sicher kein Ausschlussgrund! Es ist nicht so, dass uns die Bude eingerannt wird von ausziehwilligen Jungs, die sagen, "Ja klar, ich bin dabei". Mittlerweile geht's ein bisschen besser.

dieStandard.at: Woran könnte das liegen?

Elke Kuhlen: Ich glaube, es liegt daran, dass wir bekannter geworden sind und viele Mädchen, Frauen anfangen, ihre Freunde zu überreden. Die ersten zwei, drei Mal war die Suche nach Models extrem müsam, weil sie immer nur den äußersten Freundeskreis tangiert hat. Der war dann auch relativ schnell abgegrast.

dieStandard.at: Die Jungs, die sich ablichten lassen, sind das stolze Schwanzträger und wollen das auch zeigen?

Elke Kuhlen: Es trauen sich auch Männer – das kann ich besonders gut beurteilen, seit ich das Giddyheft mache -, die keinem "Idealbild" entsprechen. Genau die wollen wir ja. Die Jungs sehen das – anders als die Frauen – als Mutprobe glaube ich. Nach dem Motto: "Das mach ich jetzt auch mal". Sicher, keiner der Typen, die sich fotografieren lassen, denkt sich: "Ach, ich hab Probleme mit meinem Schwanz". Dann machen's auch Männer nicht.

dieStandard.at: Wie ist das beim Giddyheft, also den weiblichen Nacktmodels?

Elke Kuhlen: Der Unterschied zwischen Giddy- und Jungsheft ist gewaltig, was die Bereitschaft der Models angeht. Auch ans Giddyheft sind wir total naiv herangegangen. Sehr viele Jungs haben uns geschrieben, dass das super ist, was wir da machen mit dem Jungsheft, aber "wieso gibt's das nicht für uns?" Sie wollten sozusagen das "11 Freunde" (Magazin für Fußball-Kultur, Anm.) als Tittenheft. Warum gibt's das nicht – das haben wir uns dann auch gefragt, weil wir eigentlich dachten, der Tittenheftmarkt für Typen wäre prinzipiell ziemlich abgegrast. Aber es gibt tatsächlich nur Hochglanz wie Playboy oder eben Super-Illu-mäßige Angebote. Aber eben nicht "Deine Indie-Nachbarin" nackt.

Wir haben uns gedacht, Frauen zu finden, die sich ausziehen, wird kein Problem sein, die kennen das ja eh. Aber es ist so viel schwieriger, Mädchen zu finden. Immer noch. Vielleicht, weil wir nichts nachbearbeiten. Wir fangen gerade an, die Aprilausgaben zu planen, Jungsheft ist fertig, Giddyheft ist schwer. Das hat auch damit zu tun, dass ich zu den Jungs hingehe und sage: "Stell dich nicht so an!", aber zu einem Mädchen nicht sagen würde: "Halt doch mal deine Tittchen in die Kamera."

dieStandard.at: Wer macht denn die Fotos für eure Hefte?

Elke Kuhlen: Es sind fast immer Frauen hinter der Kamera. Etwa die Hälfte der Models bringt eigene Leute mit, die sie fotografieren. Wenn sie selber keine/n mitbringen, dann stellen wir sie. Wir haben derzeit bereits FotografInnen, die uns helfen, in Köln, Hamburg und Berlin. Und da wird dann offensichtlich, dass fast alle ausschließlich Frauen wollen. Weibliche wie männliche Models. Ich kann mir das gut vorstellen, dass es für einen Typen blöder ist, vor einem fremden anderen Typen zu wixen als vor 'ner Frau.

Wegen einem der weiblichen Models im Giddy hatten wir auch schon Schwierigkeiten. Wir wussten nicht, dass sie diesen Bestseller geschrieben hat. Sexuelle Erfahrungen eines jungen Mädchens, "Frühling und so". Die Bildzeitung ist so enorm hinter der her.

dieStandard.at: Das ist doch enorme Publicity?

Elke Kuhlen: Das wollen wir nicht. Tracks hat als erstes was über uns gemacht. Daraufhin kam eine kleinere Interviewwelle in der deutschen Presse. Und dann kam Charlotte (Roche, Interview im "Lecker", Anm.). Dann ging's los. Mit ihrem Buch hat sie uns dann quasi mitgenommen. Wir hatten schon echt viel Ärger mit der Bild. Damit wollen wir nichts mehr zu tun haben.

dieStandard.at: Habt ihr noch Ideen für weitere einschlägige Hefte im Köcher? Zum Beispiel für Bisexuelle?

Elke Kuhlen: Nein. Ich muss dazu sagen, wenn ich nicht müsste, würde ich das Jungsheft nie Pornoheft nennen. Für mich fängt Porno mit Interaktion an. Ich will keinen Typen sehen, der kommt. Und genauso wenig will ich ein Mixheft. Da ist man nicht mehr weit vom Paare beim Vögeln fotografieren weg. Auch ganz pragmatisch gedacht: Es ist sicher noch schwieriger, Indie-Pärchen zu finden, die sich beim Vögeln überhaupt fotografieren lassen würden. Getrennt find ich's auch schöner. (bto/diestandard.at, 2.2.2009)