Wien - Punkt 9.30 Uhr trat Freitagvormittag zum letzten Mal die Psychiatrie-Untersuchungskommission zur Zeugenbefragung zusammen. Diesmal sagten Vizebürgermeisterin Renate Brauner sowie Bürgermeister Michael Häupl (beide SP) aus. Brauner, zur Zeit der untersuchten Fälle Gesundheitsstadträtin, wurde von der Kommission mit einer Reihe von an sie gerichteten Beschwerdebriefen konfrontiert.

Darin beklagten Angehörige von Psychiatriepatienten mangelhafte Betreuung im Otto-Wagner-Spital (OWS). Die Patienten lägen stundenlang in ihren eigenen Exkrementen, stand laut dem schwarzen Kommissionsmitglied Ingrid Korosec in einem dieser Briefe. Sie könne sich an dieses Schreiben nicht erinnern, sagte Brauner, habe aber als Gesundheitsstadträtin immer darauf geachtet, dass sämtliche Beschwerden an den Patientenanwalt übermittelt werden. Auf akuten Personalmangel, wie von der Opposition suggeriert, ließen diese Fälle aber nicht schließen. Michael Häupl gab an, in seinem Büro seien seit 2002 im Zusammenhang mit der Versorgung von psychiatrischen Patienten durch die Gemeinde Wien insgesamt zwölf Beschwerdebriefe eingegangen. Alle seien an den Krankenanstaltenverbund sowie an die Gesundheitsstadträtin weitergeleitet worden.

Abschluss im Februar

Dass die SPÖ keine Missstände sieht, war absehbar, noch bevor die Kommission am 29. Februar des Vorjahres im Gemeinderat beschlossen wurde. Länger als ein Jahr darf die Untersuchung laut Gesetz nicht dauern, bis Ende Februar müssen also Ergebnisse vorliegen, die dann im Gemeinderat diskutiert werden. Anlass zur von der Rathausopposition durchgesetzten Untersuchung bildete eine Reihe von Vorfällen auf der Baumgartner Höhe. 2005 hatte sich eine am Bett fixierte Psychiatriepatientin selbst angezündet. Personalpolitische Konsequenzen dürfte diese Kommission nicht nach sich ziehen - 2004 musste Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann nach der U-Kommission zur Geriatrie zurücktreten. Allerdings dürfte sich in Sachen Psychiatrie in Wien dreißig Jahre nach der letzten Reform etwas bewegen. Brauner gestand am Freitag ein, dass die Dezentralisierung zu langsam erfolgte. Das Otto-Wagner-Spital bekam schon während der Untersuchung durch die Kommission mehr Fachärzte. Und auch die Bettenanzahl in der Jugendpsychiatrie wurde erhöht.

Nicht geklärt ist, ob im OWS weiterhin Netzbetten eingesetzt werden. Die Reaktionen der geladenen Experten reichten von „noch nie eines gesehen" bis zu „absolut notwendig". Politische Einmischung wird es in dieser Frage laut Häupl jedenfalls nicht geben.

Ob die angestrebte Ent-Tabuisierung von psychischen Erkrankungen gelingt, ist fraglich. Dass Patienten als Zeugen aussagen, hatte die rote Mehrheitsfraktion mit dem Argument abgelehnt, die Patienten nicht vorführen zu wollen.  (Marijana Miljkoviæ/Martina Stemmer/DER STANDARD, Printausgabe, 31.1./1.2.2009)