Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist der Meinung, dass die Wahlbeteiligung bei der kommenden Europawahl im Juni höher sein wird, als bis jetzt erwartet. Laut Umfragen sind sich nämlich nur 17% der österreichischen Bevölkerung sicher, dass sie wählen gehen werden, 51% interessieren sich gar nicht dafür.

Der Grund dafür, dass die Wahlbeteiligung von 1996 67,7% auf 2004 43% gesunken ist, ist laut Gusenbauer, dass die Wähler das Gefühl haben, nichts verändern zu können. Sie gehen zwar wählen, können aber nicht beeinflussen, was dann passiert. Der jetzige EU-Referent in der niederösterreichischen Arbeiterkammer gibt als Beispiel die Nationalratswahlen 2008 an: Es wurde gewählt, aber trotz der Kritik an der rot-schwarzen Koalition, war sie wieder der einzig akzeptable Ausweg. Mit den Worten „es kommt eh immer dasselbe raus" drückt Gusenbauer die Denkensweisen der Nicht-Wähler aus.

Interessanter sind laut Gusenbauer Wahlen, die simpel sind, wie zum Beispiel die Bundespräsidentenwahl - die Stimme des Volkes führt direkt zum Bundespräsidenten ohne dass man auf Koalitionsbildungen warten muss. Transparenz und Überschaubarkeit regen dazu an, wählen zu gehen, und das sind Eigenschaften, denen das Wahlsystem der EU-Wahlen nicht nachkommen kann.

Ein weiterer Punkt, der die Bevölkerung davon abhält, wählen zu gehen, ist der Prozentsatz an Österreichern im Europaparlament: 18 von 732 Sitzen? Was soll das schon bewirken, fragt Gusenbauer. Andererseits muss man sehen, dass das im Vergleich zur Bevölkerung Österreichs eine enorm hohe Anzahl an Abgeordneten ist, Deutschland zum Beispiel hat zehn Mal so viele Einwohner wie Österreich, allerdings trotzdem nur 99 Abgeordnete im Europaparlament.
Der Irrglaube der Bevölkerung ist, so Gusenbauer, dass die Wahl darüber entscheidet, ob Europa weiter existieren wird oder nicht - die Wahl entscheidet einzig und allein darüber, wer Abgeordneter des Landes wird und welche Interessen daher vermutlich vertreten werden. Es ist immer leicht, sich im Nachhinein über etwas zu beschweren, den Politikern oder Journalisten die Schuld an allem Unheil zu geben, aber wenn man nicht wählen geht, wenn man sich nicht daran beteiligt, was geschehen wird, dann darf man sich nachher auch nicht darüber beschweren. (Arleen Duit)