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Am G7-Krisengipfel zu tief ins Glas geblickt: Japans Finanzminsiter Shoichi Nakagawa. Jetzt ist Schluss mit lustig, er muss abtreten.

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Tokio - Mitten in Japans tiefster Krise der Nachkriegsgeschichte muss Japans Finanzminister Shoichi Nakagawa nach seinem lallenden Auftritt auf dem G7-Finanzministertreffen in Rom seinen Rücktritt erklären. Er soll noch den Haushalt durchs Parlament bringen. Danach will Ministerpräsident Taro Aso Wirtschaftsminister Kaoru Yosano auch das Finanzministerium übertragen.

Nakagawa gab sich gestern zerknirscht. "Ich entschuldige mich zutiefst beim Ministerpräsidenten, den Menschen und den Mitgliedern des Parlaments für die erheblichen Probleme, die ich verursacht habe." Doch die Reue kam zu spät. Zu groß war die Entrüstung über den Gesichtsverlust, den er seinem Land am Samstag auf dem Krisengipfel zugefügt hatte. Auf der abschließenden Pressekonferenz hatte er gelallt, die Augenlider fielen ihm zu und er antwortete auf Fragen, die gar nicht an ihn gestellt waren.

Zwar schob Nakagawa seine Aussetzer später auf Erkältungsmedikamente zurück, die er eingenommen haben will. Er habe zum Mittagessen nur etwas Wein genippt, versicherte er noch am Montag. Doch ausgerechnet sein Parteifreund und Ex-Ministerpräsident Yoshiro Mori erschütterte seine Glaubwürdigkeit als er ihn öffentlich als Trunkenbold entlarvte. "Weil er wirklich gerne trinkt, habe ich ihm einmal geraten, vorsichtig zu sein", verriet Mori im Fernsehen.

Der Rücktritt des mächtigsten Ministers erschüttert die ohnehin schwankende Regierung von Ministerpräsident Taro Aso zu einem wirtschaftlich extrem kritischen Zeitpunkt. Am Montag veröffentlichte Konjunkturdaten zeigen, dass Japan von der Weltwirtschaftskrise mit am schwersten getroffen wird. Ausgelöst durch den Einbruch der extrem exportabhängigen Industrieproduktion schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im letzten Vierteljahr 2008 gegenüber dem Vorquartal auf das Jahr hochgerechnet um 12,7 Prozent. Im Jahr 2009 könnte Japans Wirtschaft um 6,6 Prozent einbrechen, warnte daher jüngst die Deutsche Bank.

Politisches Chaos

Das politische Chaos droht nun sogar die schnelle Verabschiedung von Japans Konjunkturprogramm zu gefährden. Schon seit Juli 2007 blockiert die Opposition mit ihrer Mehrheit im Oberhaus die Regierung, um schnelle Unterhauswahlen zu erzwingen und die unbeliebte Liberaldemokratische Partei (LDP) Asos zu schlagen. Bislang konnte die Regierungskoalition wichtige Gesetze dank ihrer Zweidrittelmehrheit im Unterhaus dennoch in Kraft setzen.

Aber dieses Vorgehen lässt sich immer schwerer rechtfertigen. Denn schon vor Nakagawas Ausfall kollabierte die Zustimmungsrate zu Aso Kabinett nach einer Umfrage auf 9,7 Prozent, den zweitschlechtesten Wert aller Nachkriegspremiers.

Selbst die LDP beginnt zu revoltieren. Ex-Premier Junichiro Koizumi kanzelte Aso vorige Woche als "lächerlich" ab und drohte gar an, am Freitag im Unterhaus mit der Opposition gegen Asos Lieblingsmaßnahme zur Konjunkturförderung zu stimmen, das 2000 Milliarden Yen große Bargeldgeschenk an alle Bürger. Die Zeitung Nikkei forderte daher Regierung und Opposition zur Zusammenarbeit auf: "Das Fiasko darf nicht die Anstrengungen stören, das weitere Versinken der Wirtschaft in die Rezession zu stoppen." (Martin Koelling aus Tokio, DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2009)