"One Night Stand" (2006), der hochgelobte Queer Porn der französischen Fotografin Emilie Jouvet, lief in einer der privaten Filmboxen bei "pornonom". Gescreent wurden auch Todd Verrows "Where your heart should be" (2008), Bruce La Bruce' "Otto; or, Up with Dead People" (2008) und "Bacchanale" (1970) von John & Lem Amero.

cover: One night stand

Porno mit allen Sinnen auf sich wirken lassen, lautete eines der Versprechen des Symposiums "pornonom", welches am vergangenen Samstag im Wiener WUK stattfand. Hunderte interessierte Sexuelle folgten dem Ruf nach intellektueller und künstlerischer Auseinandersetzung mit pornografischem Filmschaffen, mit Begriffen und Genres, mit erotischer Buffetware, mit Sextoys aller Art. Im Foyer ließ gedämpftes, farblich changierendes Licht auf einen sinnlichen und vielleicht sogar sexuellen Ausklang des Abends schließen - vor überdimensionalen Leinwänden, auf denen zu späterer Stunde new classics des queeren Pornos projiziert wurden.

Pornos gemeinsam betrachten

Den BesucherInnen von "pornonom" bot sich eine Mixtur aus Konferenz, Sex-Messe und Aufreiß-Zone - und das nicht ohne Grund: Nachdem Pornokinos fast vollständig aus dem Stadtbild verschwunden sind, das Betrachten von Pornos sich also zur reinen Privatsache zuhause und immer öfter vor dem PC verwandelte - sollte ein Raum her, wo Porno wieder "gemeinsam" betrachtet und darüber reflektiert werden kann, so die Veranstalterinnen Sabine Sonnenschein und Brigitte Wilfing.

Tatsächlich ging es aber natürlich um weit mehr, als Porno aus dem privaten Wohnzimmer in den öffentlichen Raum zu bringen: Thema des Symposiums war ja nicht der Mainstream-Porno aus der Sex-Videothek oder von diversen Internet-Plattformen, sondern gerade jene Entwürfe, die Sexualitäten jenseits der heterosexuellen Matrix samt seinen anknüpfenden Spielarten, zum Thema machen.

PorNO und PorYES

So gab die deutsche Porno-Theoretikerin und Sex-Beraterin Laura Méritt in ihrem Vortrag einen Überblick über die feministische Sexbewegung der letzten 30 Jahre. "Es ist ein Irrtum zu glauben, dass PornNO (ein Begriff, der vor allem von Alice Schwarzer in der Zeitschrift Emma geprägt wurde, Anm.) und PorYES im Widerspruch stehen", ließ Méritt wissen. Tatsächlich sei die feministische Bewegung des PorNO für die weibliche Rückeroberung von Sex sehr wichtig gewesen, ging es darin doch um die Zurückweisung der frauenfeindlichen und gewalttätigen Sexualitäten des Mainstream-Pornos. Geichzeitig arbeiteten feministische Künstlerinnen aber stets auch daran, diesen dominanten Bildern eigene Entwürfe entgegenzustellen.

Speziell seit den 1990ern hat es dann auch verschiedene Versuche gegeben, den "feministischen Porno" zu definieren: Dieser zeichnet sich vor allem durch eine ausgereiftere Handlung, weniger genitale Nahaufnahmen und einer Portion Humor aus, so Méritt. Für feministische Pornoproduzentinnen, dessen bekanntestes Aushängeschild die ehemalige Pornodarstellerin Annie Sprinkle ist, seien auch die Arbeitsbedingungen, sprich die Anwendung und die Darstellung von Safe-Sex-Praktiken ein großes Anliegen. Selbst die Dogma-Bewegung in Dänemark ließ es sich nicht nehmen, für die Produktion von Frauenpornos durch ihre Produktionsfirma Zentropa ein eigenes Manifest zu publizieren. Auf das "Pussy Power Manifesto" folgten die Frauenpornos "Constance" und "Pink Prison", die auch Männer anmachen durften.

HeartCore?

Wenngleich sich die Vorstellung, dass Frauen bei Pornos vor allem "auf gute Stories" und "emotionale Betrachtung" achten würden, als Klischee entpuppt hat, so zeigen Pornos von Frauen öfter das Verhältnis der ProtagonistInnen (auch nach dem Sex), sie verwenden öfter authentische Tonspuren und sie zeichnen sich durch vielfältigere Stellungen aus, berichtete die Sexpertin.

Im Spiel der Begrifflichkeiten werden feministische Pornos auch gerne unter dem Label "post porn" gefasst. Gleichzeitig steht der Begriff aber auch für eine Ausweitung der Bedeutung: "post porn" macht die Rollen im sexuellen Akt austauschbar, so die Verheißung, klare naturalistische, geschlechtliche Zuordnungen verschwinden in der Darstellung. Spätestens an diesem Punkt werden dann auch die queer-politischen Ansprüche von "post porn" sichtbar: Ihm geht es um die Entfesselung von Geschlechtsidentitäten und davon ausgehend den Widerstand gegenüber jeglicher Normalisierung von Körpern.

Dildo-Theorie

Manch psychoanalytisch Geschulte wird hier einwerfen: An dieser schönen neuen Welt hängt aber noch der Penis! Wenngleich freilich nicht die materielle Ent-Mannung zur Debatte steht, so geht es dem Penis in dieser Konsequenz auf jeden Fall symbolisch an den Kragen: Mit der Abschaffung des Phallus und dem Entdecken neuer Körperzonen beschäftigt sich zum Beispiel die französische Queer-Theoretikerin beatriz preciado. In ihrer "Dildo-Theorie" konfrontiert sie heteronormative Lebens- und Liebesweisen mit angeblich "verrückten" Organen und Objekten: Anus und "anale Praxen", rekonstruierte sexuelle Organe und nicht zuletzt den Dildo. Diese Utensilien gilt es als egalitäre Orte und Objekte von Sexualität zu verwenden, um neuen queeren Subjektpositonen Raum zu verschaffen. Der Penis ist so betrachtet nichts weiter als ein "Bio-Dildo", der einmal mit der Autorität des Natürlichen ausgestattet wurde, erklärte preciado 2004 in einem Interview mit der "Jungle World".

Mit dem Symposium "pornonom" wurde der Versuch gestartet, über die rein intellektuelle Auseinandersetzung mit post porn hinaus - nämlich in die Praxis - zu gehen. Der Vortrag von Barbara Eder über das Genre des Porn-Musicals und Thomas Rehbergs Auseinandersetzung mit der Arbeit des Queer-Porn-Künstlers Todd Verrow zeigten die vielseitigen Zugänge zum Thema auf. Performances und medien-unterstützte Lectures ermöglichten es, die vielseitigen Wechselbeziehungen der Genres visueller Darstellung in Sachen Porno nachzuvollziehen.

Ersten Nachfragen zufolge verließen die BesucherInnen "desensibilisiert" bis "politisiert" den Chill-Out-Room. (freu, dieStandard.at, 18.2.2009)