Innsbruck - Alle paar Jahre ereignen sich große Lawinenkatastrophen in den Alpen, bei denen ganze Ortsteile verschüttet werden. Unter welchen Bedingungen solche Desaster drohen, hat nun Peter Höller, Lawinenforscher an der Universität Innsbruck, analysiert.

Die meisten Lawinenkatastrophen in Österreich haben sich nach lange anhaltendem Nordwestwind ereignet, zeigt Höller in der neuesten Ausgabe von Natural Hazards. Die Luft hat sich über dem Atlantik mit Feuchtigkeit vollgesogen. Schließlich stauen sich die Wolken an den Alpen, wo es dann ergiebig schneit

In den vergangenen Wochen haben Nord- und Nordwestwinde viel Schnee in den Alpen abgeladen. Schneit es in den nächsten Tagen weiter, könnte die kritische Schneelast mancherorts überschritten werden, warnt Höller. Für eine Großlawine brauche es keine weiteren Auslöser. Der Schnee kollabiere unter seiner eigenen Last.

"Todgeiler Dreier"

Um den wichtigsten Alarmsignalen auf die Spur zu kommen, hat Christian Pfeifer von der Universität Innsbruck alle Lawinenabgänge in Tirol zwischen 1999 und 2004 untersucht. Seine Analyse, ebenfalls in Natural Hazards erschienen, belegt wissenschaftlich, was Wintersportler und Alpinisten als Erfahrungswissen mit sich tragen: dass Lawinenwarnstufe, Hangneigung und Himmelsrichtung die wichtigsten Prognosefaktoren sind. Sie sind in Kombination zu beachten: Auch Südhänge etwa sollten bei Warnstufe drei gemieden werden, sofern sie stärker als 35 Grad geneigt sind. Ab 40 Grad Hangneigung gehen bei Warnstufe drei auf den meisten Südhängen Lawinen ab. Auf Nordhängen mit mehr als 40 Grad Neigung herrsche selbst bei Warnstufe eins mäßige Lawinengefahr.

Pfeifers Studie bestätigt die sogenannte "Reduktionsmethode" des Schweizers Werner Munter. Der Bergführer hatte Anfang der Neunzigerjahre gefordert, sich bei der Einschätzung der Lawinengefahr nicht auf komplexe Auswertungen der Schneeforscher zu verlassen. Es genüge, die drei oben genannten Faktoren zu beachten - Munter spricht vom "todgeilen Dreier".

In den Achtzigerjahren hatten sich Lawinenunglücke gehäuft, an denen Bergführer beteiligt waren. Munter verwarf deshalb alle Vermessungen des Schnees, die bis dahin die Entscheidungsbasis für Skiführer bildeten. Mit Pfeifers Studie erhält Munters Methode nun wissenschaftliche Absolution. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 27.02.2009)