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Mitglieder einer unbewaffneten Bürgerwehr während einer nächtlichen Patrouille in der einst unter Mussolini errichteten römischen Vorstadt Esposizione Universale di Roma (EUR).

Foto: Reuters/Casilli

Vielen ItalienerInnen ist das freundliche Gesicht von Adrian Nichifor vertraut. Eine Werbekampagne der Regierung in Bukarest präsentierte den 33-Jährigen als Musterbeispiel für die perfekte Integration rumänischer Landsleute in Italien. Seit zwölf Jahren lebt Nichifors Familie in Italien - jetzt will sie ihr Gastland verlassen. Was sie vertreibt, ist "der Albtraum, dass unsere Kinder hier zeitlebens als Bürger zweiter Klasse behandelt werden". Nach der Vergewaltigung einer Frau durch vier Rumänen wurde Nichifors Fleischhauerei in Guidonia bei Rom durch eine Brandbombe verwüstet. "Rumänen raus", forderte eine auf die Geschäftsfassade gepinselte Schrift.
"Das Klima hat sich geändert. Die Italiener hassen uns", sagt Nichifor. Einem Großteil der rund 1,6 Millionen RumänInnen in Italien schlägt eine Welle der Verachtung entgegen. Wir werden im Bus als ,Scheißrumänen‘ beschimpft, klagt Laurentiu Klenci. Die Familienhelferin Maria Sava fühlt sich doppelt bedroht - "von der Straßenkriminalität eigener Landsleute und der Abneigung der Italiener".
Willig öffnen sich die Medien der Pogromstimmung. Dutzende Male zeigte die Tagesschau des Staatsfernsehens Rai den Versuch aufgebrachter Bürger, die Täter von Guidonia zu lynchen. Die Vergewaltigung einer 14-Jährigen im Caffarella-Park am südlichen Stadtrand Roms ließ den Volkszorn weiter hochkochen. "Keine Gnade für Bestien" forderte ein Transparent an der Spitze eines Fackelzugs der rechtsextremen Forza Nuova. Eine Gruppe vermummter Schläger verprügelte vier Rumänen und verwüstete ein Kebablokal unweit des Tatorts.
Der Caffarella-Park an der Appia Antica gehört zu den beeindruckendsten Landschaften der Hauptstadt. Unter den Steinbögen altrömischer Wasserleitungen weiden Schafherden. Steineichen und Robinien wachsen zwischen archäologischen Mauerresten. Vor den zahlreichen Tuffhöhlen liegen verdreckte Kleidungsstücke und Bierflaschen, hinter dichtem Gebüsch verstecken sich behelfsmäßige Baracken und Zelte, in denen illegale ImmigrantInnen hausen.

Nicht ohne Hund

"Ohne meinen Hund gehe ich hier nie spazieren", versichert Maria Alfani und streichelt ihren Labrador. Die Slogans auf den Wänden der Via Denina unweit des Parkeingangs zeugen von der Stimmung im Stadtviertel: "Roma, Mörder, Schande".
In der Bar Simon, in der die vergewaltigte 14-Jährige und ihr Freund verstört um Hilfe ersuchten, schildert die blonde Besitzerin zum wiederholten Mal den Hergang der Dinge. An der Spitze einer Bürgerwehr will Barbara Cerusico "darüber wachen, dass wir uns mit unseren Kindern wieder auf die Straße getrauen können".
Das würde sich auch Alexandru Janut wünschen, der seit acht Jahren in Rom lebt "Ich getraue mich hier in kein Lokal mehr", ängstigt sich der 18-Jährige. Der Schauspieler Paolo Calabresi, der sich für die Satire-Sendung "Le Iene" als Immigrant präsentierte und mit rumänischem Akzent um eine Zigarette bat, wurde von einer Gruppe Jugendlicher mit einem Messer bedroht: "Hau ab, Vergewaltiger."
In der römischen Peripherie mit ihren tristen Hochhäusern und schlechtbeleuchteten Straßen gehört Selbstjustiz fast zum Alltag. Den Diebstahl einer Geldtasche zeigt hier niemand mehr an. Offene Rechnungen werden häufig direkt beglichen. "Oder glauben Sie etwa, dass ein verprügelter Illegaler Anzeige erstattet?", so eine Polizeistreife.
Unter dem Druck der Volkswut handelten die Caffarella-Ermittler rasch. Vier Tage nach der Vergewaltigung präsentierte die Polizei mit offenkundiger Genugtuung die Täter: Alexandru Loyos (20) und Karol Racz (36). "Die Bestien sind gefasst", triumphierte eine römische Zeitung. "Überlasst sie uns", schrie die erregte Menge vor dem Kommissariat.

Nur 40 abgeschoben

Dass die Zahl der Vergewaltigungen in Italien in einem Jahr um fast zehn Prozent gesunken ist, interessiert hier niemanden. Auch der Umstand nicht, dass Italien statt der versprochenen 20.000 gerade einmal 40 RumänInnen abgeschoben hat. Mit zehn Zeichnungen illustrierte der Corriere della Sera jedes Detail der Ermordung eines Hausverwalters durch eine Rumänin.
Gewaltverbrechen gegen AusländerInnen werden meist nur am Rande notiert. Ein Italiener, der bei Frosinone eine 36-jährige Rumänin vergewaltigte, wurde nach drei Tagen in den Hausarrest entlassen. Fackelzüge, Lynchversuche und Forderungen nach Bildung einer Bürgerwehr blieben aus.
Bukarest reagiert zunehmend gereizt auf den "Versuch der italienischen Regierung, die Rumänen in Italien zu kriminalisieren". Nur 953 Rumänen seien rechtskräftig verurteilt, knapp ein Prozent der Immigranten straffällig. Auch dafür hält Justizminister Catalin Predoiu einen plausiblen Grund bereit: "Dass sich 40 Prozent aller mit Haftbefehl gesuchten Rumänen in Italien aufhalten, ist kein Zufall. Mit seinem laxen Strafvollzug zieht das Land Kriminelle magnetisch an."

Inzwischen hat eine DNA-Analyse die "Bestien des Caffarella-Parks" entlastet. Am Montag soll ein Gericht über ihre Haftentlassung entscheiden. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 7.3/6.3.2009)