"Eine neue Ära", so titelt Francis Fukuyama einen Essay, der unlängst im American Interest Magazine erschienen ist. Barack Obamas Regierung, schreibt der mit seiner These vom „Ende der Geschichte" zu weltweiter Beachtung gelangte Politologe darin, müsse auf drei Gebieten Politikansätze über Bord werfen, die seit Ronald Reagans Zeiten in den USA vorherrschten: Die Rolle der Regierung dürfe keine beschränkte mehr sein, die Fiskalpolitik nicht ausschließlich aus Steuersenkungen bestehen und die Beziehungen Amerikas zum Ausland nicht hauptsächlich vom Einsatz militärischer Mittel bestimmt werden.

Zumindest bei Letzterem lässt sich in den vergangenen sechs Wochen schon so etwas wie substanzieller Change, Wandel, feststellen. Die Obama-Administration setzt auf Pragmatismus statt Ideologie, auf Realpolitik statt blindwütiger und gewaltsamer Verbreitung von Demokratie. Die Überschätzung militärischer „Hard Power", die George W. Bush aus dem für die USA siegreichen Wettrüsten der 1980er-Jahre von Reagan übernommen hat, ist dem Konzept der „Smart Power" gewichen. Einer intelligenten Kombination aus (konventioneller wie nuklearer) Militärmacht mit geschickter Diplomatie, die führende US-Außenpolitiker schon Ende 2007 erdacht haben.

Alle Politikansätze, die auf Hillary Clintons Weltreise in den vergangenen Wochen zu beobachten waren, orientieren sich an diesem Konzept. Ob in China, Japan, Korea, im Iran, im Nahen Osten oder in Europa - es geht immer um Einbindung und Engagement, und zwar durchaus im doppelten Sinne: Beide Begriffe bedeuten nicht nur, sich gegenseitig den Bauch zu pinseln. Die Amerikaner fordern auch Solidarität. In Afghanistan vor allem werden noch die letzten Renegaten sehen, dass Obama kein blauäugiger Peacenik ist, sondern im Gegenteil auch ein Kriegsherr, der bereit ist, Blut zu vergießen. Er wird nicht anstehen, auch weiterhin auch mit der US-Militärmacht zu drohen.

Dieser Außenpolitik liegt eine grundsätzliche Bereitschaft zum Abtausch von Interessen zugrunde, die mit einer ideologisch gefärbten Weltsicht nicht so einfach zu machen ist. So sind auch die Avancen an Russland zu verstehen, denen etwa George W. Bush zunächst in einer Art Bruderschaft im Geiste mit Wladimir Putin zu sehr vertraut und zuletzt zu sehr misstraut hat. Jetzt scheint mit Obamas Angeboten an Moskau so etwas wie realpolitische Normalität zurückgekehrt zu sein. Für eine „neue Ära" reicht das zwar noch nicht aus. Davon wird man sprechen, wie der Realpolitiker Henry Kissinger kürzlich sagte, wenn Obama seine Chance nützt, eine neue Weltordnung zu schaffen. (DER STANDARD Printausgabe, 7.3.2009)