Dirk Darmstädter: "Life is no movie" (Tapete Records/Hoanzl 2009)

Foto: Tapete Records

"Das Leben ist kein Film", behauptet Dirk Darmstaedter. Die Erkenntnis reicht dem in New Jersey aufgewachsenen Hamburger immerhin für sein gleichnamiges drittes Soloalbum. Auf diesem erzählt der Mann, wie er zu jener nicht gerade weltbewegenden Einsicht kommt - und was ihn sonst so bewegt. Und da sind wir schon mitten drin in "Life is no movie". Der Titel ist Programm - auch wenn die Scheibe zuletzt dann doch ein kleines (musikalisches) Road-Movie abgibt. Entstanden über die Monate und Jahre irgendwo zwischen Hamburg und München, Osten und Westen, Proberaum und Küchentisch, Büro und Supermarkt. Das behauptet zumindest der Pressetext - und weil in diesem "Spannungsfeld" doch einiges Platz hat, liegt man zumindest nicht daneben. Satz vier - der einem fast die Lust aufs Hören austreibt - umschreibt dann doch recht treffend das vorliegende Werk: "Leben ist, was einem begegnet."

Wohl temperierter Sound

Das klingt irgendwie so, als gebe es sonst wirklich nichts zu sagen. Aber keine Angst, das ist es keineswegs. Auch wenn so ein Musikerleben - traut man Sound und Text - recht beschaulich ablaufen dürfte, poesiefrei ist es offenkundig nicht. Wer für die feinen Untertöne im Allgemeinen und in der Musik im Besonderen kein Gespür hat, für den geht es wohl eher in Richtung fad. Wer es gut mit dem großen Blonden meint, schätzt den wohl temperierten, gepflegten Sound. Im übrigen gilt auch hier - es ist nicht alles, wie es scheint. Auch Damstaedters Klangteppich hat zwei Seiten: Glatt poliert wie ein schöner Kieselstein dünkt einem zunächst. Aber wer könnte es vergessen - so ein schöner Stein, der hat schon was - fad empfindet ihn allein der Fantasielose.

Gut portionierte Stimmung

Eine Prise Melancholie und eine ebenso winzige Portion Zorn schwingt da mit, ob der titelgebenden Erkenntnis, die - man ahnt es - kein Happy End erwartet oder verspricht. Das könnte ein bisschen auch mit des Musikers Alter zu tun haben: 1965 geboren, da ist man zu fortgeschritten, um die Welt durch die rosa Brille zu sehen und zu jung, um schon richtig illusionslos Bilanz zu ziehen, wie auch immer diese ausfallen möge. Daneben mag auch die Generationen-Frage eine Rolle spielen - Sven Regeners kultiger "Herr Lehmann" lässt ein bisschen grüßen. Immerhin ist der Mann (Darmstaedter, nicht Lehmann) nach eigenen Angaben in jugendlichem Übermut vier (!) Jahre interrailmäßig durch die Lande getrampt - Gitarre und Skateboard im Gepäck. Heute ist er ein alter Hase in seinem Metier. "Brand New Toy" hieß Ende der Achtziger Jahre der Hit, den er mit seiner Band The Jeremy Days geschrieben hat. Seitdem wurden immerhin mit schöner Regelmäßigkeit Werke abgeliefert - fünf mit den Jeremy Days, drei als Me and Cassity, eine mit Bernd Begemann und zwei unter eigenem Namen. Im Jahr 2002 gründet der Pilzkopf, der auch äußerlich auf jegliche Ecken und Kanten verzichtet, die Hamburger Plattenfirma Tapete Records.

Neben- und Hauptgeräusche

In Darmstaedters Fall könnte man versucht sein, folgende Feststellung zu treffen: Mancher bleibt auf immer in seiner kleinen Musikerwelt - zwischen Hamburg und München. Das zu Hause eingespielte Album verbreitet etwas von so einer familiären Stimmung. Passend dazu erklingt etwa bei "Suitcase Heart" die töchterliche Backgroundstimme. Aber wer sagt, dass man sich da nicht wohl fühlen kann - zwischen Hamburg und München, Osten und Westen, Proberaum und Küchentisch, Büro und Supermarkt. Der Sinn des Lebens lässt sich hier wohl genau so gut ergründen wie anderswo. Was an Neben- und Hauptgeräuschen zu hören ist: Bongos, Orgeln, Backing-Vocals, Gitarren, Glocken und Echos. Wovon thematisch die Rede ist: Von Freunden, Cadillacs, Liebe und anderen Befindlichkeiten, Reiseplänen, Sonne - alles wo sich jeder ein bisschen betroffen fühlen kann. Und da haben wir auch schon das Positive: Nirgendwo ein Abgrund. Das Leben ist zwar kein Film, aber Musik. So what! (mareb)