Wäre ich Profilehrerin, würde mich nicht so sehr die Lehrverpflichtung, also die Zahl der zu leistenden Unterrichtsstunden, bedrücken, sondern das Lehrerzimmer. In der Schule, in der ich die Migrantenmütter unterrichte, ist das ein Raum mit einem großen Resopaltisch in der Mitte, Stühle rundherum. Dort dürfen die Lehrerinnen sitzen, wenn sie gerade keinen Unterricht haben. Sie tun es selten. Keine Schubladen, kein Platz zum Arbeiten, schon gar nicht für ein Gespräch mit einem Schüler.

Wer fertig ist mit seiner Lehrverpflichtung, geht schleunigst nach Hause.

Wie es auch sein könnte, habe ich einmal in Amerika gesehen. Die Lehrer - die natürlich den ganzen Arbeitstag in der Schule verbrachten - hatten dort geräumige Schreibtische. Sie konnten in Ruhe den Unterricht vorbereiten, im Internet surfen, zwischendurch in die Bibliothek gehen oder in die Cafeteria, um sich mit Kollegen auszutauschen oder einer Schülerin zuhören, die ihr Herz ausschütten wollte.

Und auch die Schüler hatten nicht nur ihren Platz auf der Klassenbank, sondern auch so etwas wie Lebensraum. Es gab ein Zimmer, in dem die Theatergruppe über die nächste Aufführung diskutierte und das Schulorchester probte. In der Bibliothek konnten die Jugendlichen Projekte vorbereiten, in Ruhe lesen oder auch nur einfach ein bisschen Stille genießen. In den meisten Schulen ist es ständig laut, Pausen der Stille sind kostbar und notwendig.

Büromenschen haben es an ihrem Arbeitsplatz besser als die Lehrer an dem ihren. Im Büro wird zwar meistens durchaus fest gearbeitet, aber dazwischen auch Kaffee getrunken, getratscht, privat telefoniert (mit Maßen). Auf dem Schreibtisch steht das Foto der Lieben. Man kann sich ganz wohlfühlen im Büro, auch wenn man Überstunden macht.

Aber in der Schule? Ich habe den Verdacht, dass das berüchtigte Lehrer-Burnout nicht nur in der Schlimmheit der Kinder seine Ursache hat. Wer sich an seinem Arbeitsplatz nie entspannen, zu Hause fühlen und in angenehmer Umgebung regenerieren kann, muss auf die Dauer grantig werden. Eine Schule, die nicht nur Arbeits-, sondern auch Lebensort ist, nicht nur für Lehrer, sondern auch für Schüler, könnte das ändern.

Claudia Schmied hat offensichtlich vor, bessere und lerntauglichere Schulen zu schaffen. Dazu braucht sie mehr Geld, und dazu möchte sie die erhöhte Lehrverpflichtung für die österreichischen Lehrer einführen. Bessere Schulen hätten wohl auch die meisten Lehrer gerne, aber viele glauben nicht, dass diese auch wirklich kommen, wenn sie zwei Stunden pro Woche länger in der Klasse stehen. Sie haben das Gefühl, dass sie ausbaden sollen, was Staat und Gesellschaft an Reformen jahrzehntelang versäumt haben.

An den zwei Mehrstunden Lehrverpflichtung hat sich die Diskussion derzeit festgebissen. Der Konflikt kann nur gelöst werden, wenn klar wird, dass diese Maßnahme, wenn sie denn kommt, nur ein Schritt in einer umfassenden Reform sein kann. Das Ziel ist eine bessere Schule - aber davon muss die Politik nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch die Öffentlichkeit erst überzeugen. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD Printausgabe, 11. März 2009)