Die Informatikerin Ivona Brandic setzt auf Vernetzung mit Forschern aus aller Welt.

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Mit dem landläufigen Image eines Computer-Nerds hat die Informatikerin Ivona Brandic gar nichts gemein. Weder sitz sie Tag und Nacht vertieft in Programmiercodes vorm Bildschirm noch verliert sie bei ihrer Arbeit jeglichen Bezug zur realen Welt. "Bei mir ist das Gegenteil der Fall", sagt die 31-Jährige. "Wer in der Informatik, wo sich der Wissensstand sehr schnell verändert, nicht stark vernetzt und ständig in Kontakt mit anderen Wissenschaftern ist, kann nur sehr schwer Fortschritte machen. Ich verbringe sehr viel Zeit damit, per E-Mail, Skype und in persönlichen Gesprächen mit Studenten und Kollegen zu kommunizieren."

Seit etwas mehr als einem Jahr arbeitet Ivona Brandic als Universitätsassistentin am Institut für Informationssysteme, genauer in der Arbeitsgruppe für verteilte Systeme der TU Wien. Im April startet dort offiziell ihr neuestes Forschungsprojekt, für das sie beim ICT-Call 2008 des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) eine Förderung von 300.000 Euro für drei Jahren ergattern konnte.

Gemeinsam mit Kollegen von den Universitäten Stuttgart und Melbourne arbeitet sie an der Entwicklung von sogenannten service-oriented architectures, also an Möglichkeiten, Rechenkapazitäten in gebündelter Form als Service anzubieten. "Es geht vor allem um Hochleistungsapplikationen wie medizinische oder finanzmathematische Simulationen, deren Berechnung sehr lange dauert und hohe Rechnerkapazitäten erfordert, aber ortsunabhängig mit virtuellen Rechnern, verteilt im Internet, durchgeführt werden können," schildert Brandic. "Solche Services sind derzeit nicht sehr adaptiv, das heißt, sie können die wechselnden Nutzeranforderungen nicht erfüllen und mit Fehlern sehr schwer umgehen."

Die fehlende Dynamik und Anpassungsfähigkeit dieser Architekturen will Brandic mithilfe ganz natürlicher Vorgänge beseitigen: Sie versucht, die Funktionsweise biologischer auf technologische Systeme zu übertragen. "Der menschliche Körper kann sich durch das Nervensystem autonom selbst regulieren", erklärt Brandic. Analog zum System Mensch, das die Körpertemperatur an die Außentemperatur anpasst oder bei einer Verletzung mehr weiße Blutkörperchen produziert, will Brandic Mechanismen entwickeln, um Rechnersystemen zu ermöglichen, Regeln für eine autonome Selbstregulierung zu "erlernen".

Prototyp

Jede Idee, die sich auch während des Joggens einstellt, wie Brandic erzählt, wird so schnell wie möglich in einen Prototyp verwandelt, um mit ersten experimentellen Ergebnissen wertvolles Feedback von anderen Grid- und Cloud-Computing-Forschern zu bekommen. Diese trifft die Informatikerin bei Forschungsaufenthalten und internationalen Konferenzen rund um den Globus, "wo ich sicher sein kann, dass sich jeder an meinen Vortrag erinnert, weil ich eine von höchstens zwei Frauen bin".

Wie Computer und andere technische Geräte funktionieren, hat Brandic schon als kleines Mädchen brennend interessiert. Als sie dann mit ihren Eltern kurz nach Ausbruch des Bürgerkriegs in ihrem Heimatland Bosnien und Herzegowina 1992 über Umwege nach Mödling kam, besuchte sie die dortige HTL, wo sie die Faszination der Informatik entdeckte. Das Studium der Wirtschaftsinformatik absolvierte sie parallel an der Uni Wien und der TU Wien, wo sie nach dem Doktorat gleich eine PostDoc-Stelle antreten konnte.

Aus ein paar Wochen, die sie und ihre Familie in Österreich verbringen wollten, sind 17 Jahre geworden, und hier möchte Ivona Brandic weiterforschen - auch wenn sie weiß, dass "die Chancen in Österreich begrenzt sind und man viel Glück braucht". (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2008)