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Alexia Weiss
Haschems Lasso
Milena Verlag, ISBN 978-3-85286-175-3, 260 Seiten, 19,90 Euro

Bild: Cover / Milena

Wien - Sechzig Jahre nach dem Holocaust ist Wien wieder zur Heimat jüdischen Lebens geworden. In ihrem ersten Roman "Haschems Lasso" hat Alexia Weiss ihm nachgespürt.

Sieben Jüdinnen, völlig unterschiedlich in Herkunft und Alltag, lose verbunden durch das Gemeindeleben, lässt sie den unsichtbaren Vorhang vor dem heutigen Judentum von nebenan lüften: Zum Vorschein kommen luftige Geschichten über Liebe und Laster, Shopping und Schulnoten mit viel Wiener Flair und ohne falsche Exotik.

Ihre "Jüdischkeit" ist diesen Frauen ein Thema, ob sie religiös sind, oder nicht. In Wien zu leben, immer noch, wieder oder auch zum ersten Mal, ist ihnen Thema, ob der Holocaust ihre Familie betroffen hat, oder nicht. Israel ist ihnen Thema, ob sie dort Verwandte haben, oder nicht.

Die Journalistin Desiree etwa, deren Kommentare zur Selbstverteidigung Israels ihr wütende Leserbriefe eintragen und die, von kommunistischen Eltern erzogen und mit einem Nicht-Juden verheiratet, nun mit den streng jüdischen Hochzeitswünschen ihrer Tochter konfrontiert ist.

Oder die gut situierte Rachel, die sich meist nur über Callanetics und ihr nächstes Party-Outfit sorgen machen muss, wenn sie nicht eben an ihre bedrohte Schwester und Mutter in der Heimat Nordisrael denkt.

Sorgenvoller ist der Alltag von Jekaterina, einer Russin, die per jüdischer Heiratsvermittlung der Armut der Heimat zu entkommen dachte und nun mit ihrem ultraorthodoxen Ehemann, den sechs Kindern und dem kargen Genuss von Süßem und verbotenen russischen Schundromanen ein beinahe ebenso armes Leben in der Leopoldstadt führt.

Angewiesen auf die Spenden von Gemeindemitgliedern, etwa von Claudia, einer Konvertitin, die in einem katholischen Kloster aufwuchs und im begeisterten Judentum Erfüllung gefunden hat. Schwer zu rechtfertigen vor den Freunden "von vorher" und doch argwöhnisch beäugt, auch in der jüdischen Gemeinde selbst.

Denn dass in vielen Schubladen verräumte Vorurteile stecken, spart Alexia Weiss weder auf jüdischer noch auf nicht-jüdischer Seite aus. So muss die Schulpsychologin Ruth sowohl den Argwohn burgenländischer Bekannter auf ihr wohlbehütetes Elternhaus ertragen ("Man weiß doch, dass Juden reich sind"), wie auch die Ablehnung ihrer areligiösen, jüdischen Eltern gegenüber ihrem neuen Freund ("Wenn seine Eltern Antisemiten sind, wird er irgendwann auch einer sein. Das sitzt ganz tief drinnen in den Menschen hier.").

"Haschems Lasso" versucht nicht, ein kontroversieller Problemroman oder eine fein gezeichnete Charakterstudie zu sein. Das Buch scheut sich nicht vor Klischees und hat keine Angst davor, als reiner Frauenroman zu gelten. In gemütlichem Tempo, bildhaft und frohgemut erzählt es vom Denken, Sehnen und Handeln hiesiger, moderner Frauen. (APA)