Wien - Wenn Österreich im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen zulässt, dass auch ohne Einleitung eines Strafverfahrens Konten geöffnet werden, dann müsste diese Vertragsänderung im Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden, sagte Steuerexperte Werner Doralt vom Institut für Finanzrecht der Universität Wien am Freitag. Denn das würde "materiell" den Artikel 38 im Bankwesengesetz (BWG) ändern, der im Verfassungsrang das Bankgeheimnis regelt.

Aus Sicht Doralts geht es Finanzminister Josef Pröll mit seiner Ankündigung, das Bankwesengesetz müsse nicht angepasst werden, "um die Optik". Er wolle "den Österreichern erklären, das Bankgeheimnis hat sich nicht geändert, weil sich Paragraph 38 nicht geändert hat". Aber "diese optische Maßnahme ist problematisch", glaubt Doralt. Denn es würde ein Widerspruch zwischen Bankwesengesetz und Doppelbesteuerungsabkommen entstehen, wenn in ersterem ausdrücklich die Einleitung eines Strafverfahrens vor einer Kontenöffnung gefordert, in zweiteren aber auch ohne Strafverfahren die Kontenöffnung zugesagt werde.

Keine Einspruchsmöglichkeit

Der besondere Clou daran, künftig Konten auch ohne Strafverfahren zu öffnen, ist für Doralt, dass damit kein Bescheid mehr fällig wird - und damit auch keine Einspruchsmöglichkeit besteht. In Österreich sei die förmliche Einleitung des Finanzstrafverfahrens überhaupt nur wegen Artikel 38 Bankwesengesetz eingeführt worden, meint Doralt. Denn der damit verbundene Bescheid ermöglicht einen Einspruch. In Deutschland kenne man keine förmliche Einleitung des Finanzstrafverfahrens - damit seien auch keine Rechtsmittel gegen die Ermittlungen der Behörde möglich. Es ist zuletzt auch von der OECD ausdrücklich kritisiert worden, dass in Österreich Rechtsmittel gegen die Kontenöffnung ergriffen werden können.

Wenn die Doppelbesteuerungsabkommen mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden, würde die Regierung "die Umgehung zugeben", glaubt Doralt. Auch sei dann schwer zu vermitteln, dass man nicht ein einzelnes Gesetz anpasst, was in wenigen Wochen möglich wäre, sondern einige Dutzend bilaterale Verträge. (APA)