Die Einteilung in "leistungsstark" oder "-schwach" erfolgt innerhalb der ersten fünf Arbeitstage

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STANDARD:  Mit dem Set-up-to-fail-Syndrom benennen Sie ein Phänomen, welches Mitarbeiter zum Scheitern verurteilt. Was versteht man konkret darunter?

Stahl:
Hinter dem Set-up-to-fail-Syndrom steckt das Prinzip der Selffulfilling Prophecy. Eine Führungskraft macht sich innerhalb von fünf Tagen ein Bild von einem neuen Mitarbeiter und kategorisiert ihn in leistungsstark oder leistungsschwächer. Je nachdem in welche Kategorie der neue Mitarbeiter fällt, verhält sich die Führungskraft ihm gegenüber.

Für den als leistungsstark eingestuften heißt das, dass er möglichst viel Freiraum bekommt, wo er sich beweisen kann. Positives Feedback treibt den Mitarbeiter zu noch besseren Leistungen an. Der Leistungsschwächere hingegen wird von der Führungskraft ständig kontrolliert, das Verhältnis zwischen Manager und Mitarbeiter verschlechtert sich, und in Folge nimmt auch die Leistung ab.
Das Phänomen ist nicht neu. Das Set-up-to-fail-Syndrom wurde schon in den 60er-Jahren wissenschaftlich erforscht. Dennoch haben Führungskräfte ein Ahaerlebnis, wenn ich mit ihnen darüber diskutiere.

STANDARD: Für einen Mitarbeiter ist es schwierig aus der leistungsschwachen Schublade herauszukommen?

Stahl: Ja, von allein kommt der Mitarbeiter aus der leistungsschwächeren Kategorie nicht mehr heraus, weil jedes Bemühen von der Führungskraft negativ interpretiert wird.

STANDARD: Wie kann die Führungskraft dem entgegenwirken?

Stahl:
Als Führungskraft muss ich mir darüber bewusst sein, welche Folgen diese schnell getroffenen Einteilungen haben, nur so kann diese Wahrnehmungsverzerrung durchbrochen werden. Dafür muss die Führungsperson von Anfang an Vertrauen in alle Mitarbeiter haben und verstärkt positive Erwartungen kommunizieren. Und auch bei der Beurteilung der Mitarbeiter positiv bleiben. Nur so kann der Mitarbeiter motiviert werden und wird nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn bei Leistungsschwäche hat eigentlich die Führungskraft versagt. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.3.2009)