Veränderung im Wohnbereich findet selten statt. Nur weil gerade die Farbe Weiß im Trend ist, wird man nicht gleich sein blaues Sofa wegwerfen, das man ein paar Jahre zuvor für teures Geld erstanden hat. Wer zu Beginn des Jahres die Ausstellung Wohnmodelle im Wiener Künstlerhaus gesehen hat, konnte sich davon überzeugen: Die von der Möbelindustrie proklamierten Trends finden kaum ihren Weg in das Wohnzimmer von Herrn und Frau Österreicher.

Ausstellungsbesucher konnten das typisch österreichische Wohnzimmer in Augenschein nehmen, ausgestattet mit den meistgekauften Möbeln, meistgenutzten technischen Geräten und beliebtesten Accessoires. Das Durchschnittswohnzimmer, das auf Basis von Statistiken und Marktforschungen eingerichtet wurde, nutzt die Werbeagentur Jung von Matt in ihren eigenen Büroräumlichkeiten als Inspirationsquelle. Von der Vielfalt der modischen Formen, Farben und Materialien, die auf dem Markt angeboten werden, sowie von all den technischen Möglichkeiten, die das Wohnen komfortabler machen, ist hier nichts zu spüren.

Aus dem Vollen schöpfen

Zu Besuch in einer Wohnung aus der Feder von Denis Kosutic. Was für ein Kulturschock! Der Wiener Innenarchitekt liebt es, bei seinen Einrichtungen aus dem Vollen zu Schöpfen. Frech und frei mixt er Farben, Formen, Ornamente und Stilrichtungen zu einem neuen Ganzen zusammen. Seinen Kunden vermittelt Kosutic offenbar so viel Sicherheit in Einrichtungsfragen, dass ihn diese sogar bis zur der Auswahl des Geschirrs und der Bettwäsche zu Rate ziehen. Von aktuellen Trends will er jedoch nichts wissen. Er lasse sich bei seinen Innenraumkonzepten einzig und allein von Assoziationen inspirieren, etwa von einem Film oder einer selbstgestrickten thematischen Idee.

Roland Simmer, Geschäftsführer von Besko, Österreichs führendem Einkäufer für Raumausstatter, scheut sich dagegen ganz und gar nicht, Modeerscheinungen zu nennen: "Vor allem im Fußbodenbereich lässt sich deutlich der Trend zu raueren, natürlichen Oberflächen ablesen." Bis vor zwei Jahren sei Parkett meist lackiert worden. Heute kommen fast nur noch Öle zum Einsatz.

Auf der Möbelmesse in Köln, auf der sich jedes Jahr im Jänner die Industriellen mit ihren neuesten Entwicklungen und Produkten tummeln, waren heuer Themen wie Nachhaltigkeit und Natürlichkeit sowie Möbel mit weichen Formen im Gespräch.

Offene Räume, wilde Stoffe

Auch die Tendenz, einzelne Räume einer Wohnung ineinanderfließen zu lassen, prägt die aktuelle Diskussion. Allen voran Küche und Essbereich, klassischerweise räumlich voneinander getrennt, bilden zunehmend eine Einheit. Dabei stehen die Möbel nicht mehr nur einfach an der Wand, sondern müssen immer öfter raumteilende Funktionen übernehmen.

Der Wiener Architekt Kristof Jarder beweist, dass man bei der Trennung von Räumen bei weitem nicht auf die Farbe Weiß angewiesen ist: "Wir drucken gerne Ausschnitte von Kunstfotos auf diverse Stoffe, um damit Wandpaneele und Schranktüren zu tapezieren." Nachdem es jahrzehntelang verteufelt wurde, ist das Ornament längst wieder etabliert. Nicht nur in der Kunst wie etwa in der aktuellen Ausstellung Die Macht des Ornaments im Wiener Belvedere, sondern auch in der Inneneinrichtung spielt es eine große Rolle. Mittels Tapeten lassen sich die eigenen vier Wände ohne großen Aufwand mit floralen, geometrischen oder realistischen Motiven schmücken.

Nicht von ungefähr titelt die Zeitschrift Elle Décoration in ihrer jüngsten Ausgabe: "Keine Wohnung ohne Tapete." Im Gegensatz zu Österreich, wo laut Roland Simmer Tapeten noch kaum vertreten sind, sind sie in Deutschland bereits seit einiger Zeit angesagt. Hierzulande werde der Trend erst in zwei bis vier Jahren seinen Zenit erreichen, meint der Experte. (Anne Isopp, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.3.2009)