Berlin/Bern - Bei Steueroasen Ross und Reiter zu nennen sei richtig, sagte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag. Der Minister kritisierte, die Schweiz lade Ausländer ein, gegen die Gesetze in ihrer Heimat zu verstoßen: "Soll ich das hinnehmen?" Dass er dort als Nazi-Scherge beschimpft werde, sei inakzeptabel. Christdemokrat Thomas Müller hatte den Finanzminister ob seiner Kritik mit NS-Verbrechern in Verbindung gebracht. Er erinnere ihn an "jene Deutschen, die vor 60 Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind". Steinbrück hatte die schwarze Liste der OECD als "siebte Kavallerie in Fort Yuma" bezeichnet, die man ausreiten lassen könne, aber nicht müsse: "Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt", hatte der Cineast gesagt.

Mit ihren Äußerungen in einer Regierungserklärung kurz vor dem EU-Gipfel in Brüssel hievte die deutsche Kanzlerin den Eklat auf eine höhere diplomatische Ebene. Merkel nannte die Schweiz zwar nicht beim Namen, zeigte sich aber zufrieden, dass allein die Androhung, Steueroasen beim Namen zu nennen, bei einigen Ländern bereits Wirkung gezeigt habe. Neben Österreich, Liechtenstein und Andorra hatte in der Vorwoche auch die Schweiz angekündigt, bei Steuersachen OECD-Standards zu übernehmen und anderen Staaten Rechts- und Amtshilfe zu leisten.

Hintergrund ist der wachsende Druck auf die Steueroasen vor dem Weltfinanzgipfel Anfang April in London, der das Thema auf der Tagesordnung hat. Auf einer provisorischen schwarzen Liste der OECD steht nach Informationen des Handelsblatt auch die Schweiz.

Steinbrück holt sich aber auch daheim Abfuhren. Unions-Finanzexperte Otto Bernhardt sagte, Steinbrück isoliere sich in Europa - statt zu verhandeln, beleidige er Länder, mit denen man gute Kontakte habe. FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von "undiplomatischer Unverschämtheit". (APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3.2009)