Donnerstagnachmittag, sechster Stock auf dem Küniglberg, der höchsten besiedelten Ebene des ORF-Zentrums. Cay Urbanek, Mitarbeiter des ORF-Generals, endfertigte das an die 300 Seiten schwere Zukunftskonzept von Alexander Wrabetz und seinen Direktoren, zuletzt vor allem Elmar Oberhauser (TV-Info) und Wolfgang Lorenz (Programm). Am Freitag soll der Ziegel gedruckt bei den ORF-Stiftungsräten einlangen. Themen zeichnen sich ab:

  • Vier Direktoren unter dem ORF-General dürften Wrabetz vorschweben. In der Regierung kursieren vier Vorstände insgesamt, der Vorsitzende soll das Weisungsrecht verlieren. Oberhauser und Lorenz sollen eine TV-Direktion statt zwei befürworten.
  • Technik zerlegen Die Hundertschaften des roten TV-Produktionsbetriebs könnten zur TV-Direktion wandern (wie in den 1990ern unter Gerhard Zeiler). Die Radiodirektion nähme die Hörfunktechniker.
  • Hauptabteilungen streichen Das ORF- Radio will Hauptabteilungsleiter für Kultur, Religion et cetera abschaffen; Senderchefs plus Chefredaktion blieben von der bisherigen Doppelstruktur übrig. Im TV sollen die 14 Hauptabteilungen zumindest halbiert werden. Sie komplett abzuschaffen und Sendungsverantwortliche zu stärken stand zur Debatte.
  • Massiver Jobabbau mit Pensionierung, Golden Handshake & Co.
  • Auslagerungen Die geplante Marketingtochter dürfte nicht mehr im Konzept stehen, die Tochter für Rechteverwertung ebenso wenig. Bleiben Gebäudemanagement, die Ausstattung, als Option das Symphonieorchester.
  • Zentraler Newsroom für TV, Radio, Online, Teletext an einem neuen ORF-Standort. Kandidat für den zentralen Chefredakteur, Kandidat: Stefan Ströbitzer, Vize von Chefredakteur Karl Amon, dem SP-Wunsch für den ORF-General. Sie verantworten, dass das ORF-TV nicht live wie BBC, n-tv & Co. über das Urteil im Fall F. berichtete.
  • TV-Spartenkanal für Info/Kultur, ein Konzept der Onlinedirektion.
  • IPTV zur TV-Übertragung, hochauflösend, zeitversetzt.

ORF-Auguren streiten parallel, ob das Regierungsszenario für den ORF Eigentor oder ein Geniestreich der SPÖ ist. Blickwinkel 1: 50:50 in der ORF-Führung, Finanzdirektor und TV-Direktor schwarz. 2: Der Finanzdirektor verantwortet Defizite, muss die rote Technik zerlegen. Und der TV-Direktor ist mit Show, Serie & Co. so beschäftigt, dass er nicht zum Intervenieren kommt. Operativ wäre dann Chefredakteur Ströbitzer, bürgerlich, aber bestens SP-vernetzt, wie Reinhard Scolik als ORF-Generalsekretär. Aber das steht allerhöchstens zwischen den Zeilen in Wrabetz' Konzept.  (Harald Fidler, Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 20.3.2009)