Wien - Das Ganze nennt sich Wayne Shorter Quartet - und natürlich ist der subtile 75-jährige Doyen der jazzigen Abstraktion durch sein musikhistorisches Gewicht das Zentrum dieser Formation. Der Bandtitel jedoch unterschlägt das raffinierte Konzept. Schließlich geht es um eine von Shorter ersonnene kommunikative Situation, in der jedes Mitglied gleichberechtigt in Erscheinung tritt. Zudem wird nicht nur die Rollenverteilung Begleiter/Solist verwischt.

Auch die Grenzen zwischen Kompositionen und Improvisation sind zumeist aufgehoben; es erschaffen vier Könner - neben dem Saxofonisten Shorter also Brian Blade (dr), John Patitucci (b) und Danilo Perez (p) - ganze Stücke in Echtzeit. Das ist riskant, da in einer solchen "Work in Progress"-Situation Momente des Suchens unvermeidlich sind. Die Vorteile allerdings faszinieren: Es bleibt der Musikverlauf unberechenbar, Klischees werden weggesperrt - vor allem bei Shorters aphoristischer Art der Improvisation, die alles Selbstverständliche als wegzulassende Banalität betrachtet.

Und wenn die ganze tonale bis polytonale Angelegenheit (freitonal-freejazzig wird es nie) plötzlich eine glückliche Inspirationswendung nimmt, steht man vor einem offenen Kunstwerk, das brennt und formal nur von Reaktionsschnelligkeit zusammengehalten wird. Steht vor Jazz als kunstvolle Gestaltung des Augenblicks. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD/Printausgabe, 23.03.2009)