Bild nicht mehr verfügbar.

Behälter mit embryonalen Stammzellen in einem Labor der Universität von Georgia (USA). Diese Zellen dürfen nach derzeitiger (Nicht-) Regelung nach Österreich importiert werden.

Foto: AP/John Bazemore

Als US-Präsident Barack Obama vor zwei Wochen bekanntgab, dass in den USA die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen (ES) wieder mit staatlichen Geldern finanziert werden darf, berichtete natürlich auch der Nachrichtensender CNN darüber. Als kleines Extra gab es einen Beitrag über die Stammzell-Gesetzeslage im internationalen Vergleich.

Zuerst kamen die besonders liberalen Länder wie Belgien, Großbritannien, Schweden und Spanien, wo selbst die Herstellung von Embryonen allein für Forschungszwecke erlaubt ist. Danach wurden jene Länder genannt, die in Sachen Stammzellforschung besonders restriktiv sind. Allen voran: Österreich.

Ganz gerechtfertig ist diese Einschätzung allerdings nicht: Denn ebenso wie in Deutschland dürfen Forscher embryonale Stammzellen nach Österreich importieren. In Deutschland wurde das mit der sogenannten Stichtagsregelung gesetzlich festgeschrieben. Hierzulande hingegen gibt es so gut wie keine gesetzlichen Rahmenbedingungen - und auch keinen Stichtag, bis zu dem die Stammzelllinien hergestellt sein müssen.

Stammzellen aus den USA

Der einzige Wissenschafter, der in Österreich bislang von dieser Gesetzeslücke Gebrauch machte, war der angesehene Entwicklungsbiologe Erwin Wagner vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Er importierte nach Einholung eines Rechtsgutachtens menschliche embryonale Stammzellen (ES) aus den USA, um damit zu arbeiten.

In der Zwischenzeit folgte Wagner einem Ruf nach Spanien, und seitdem gibt es auch keinen Forscher mehr, der mit ES forscht. Macht das eine Regelung der ethisch sensiblen Materie deshalb überflüssig? Oder wird nicht gerade auch deshalb in Österreich vergleichsweise wenig an Stammzellen geforscht, weil die Gesetzeslage ungenügend ist?

"Aufgrund der unklaren Gesetzeslage haben viele Forscher in Österreich haben gar nicht gewusst, dass man auch hier mit ES arbeiten darf", sagt die Molekularbiologin Renée Schroeder, die bis zum Jahr 2005 der Bioethikkommission angehörte. Die Universitätsprofessorin an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) am Vienna Bio Center hat zwar selbst nicht vor, mit ES zu arbeiten.

"Für bestimmte Forschungen sind ES zu Vergleichszwecken aber unumgänglich", so Schroeder, die damit vor allem auf die Arbeiten mit den sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) anspielt. Viele ES-Kritiker meinen ja, dass man nur mehr mit iPS arbeiten solle. "Aber das ist zurzeit noch zu früh."

Ebenso wie Schroeder hält auch MFPL-Direktor Graham Warren es für "ganz wichtig", dass ein Stammzellgesetz kommt und die bestehenden Unklarheiten für die Forscher ausgeräumt werden. Zumal die Stammzellforschung ein hoch relevantes Forschungsfeld mit extrem hohem medizinischem Potenzial sei.

Warren, der bis 2007 an der US-Elite-Uni Yale lehrte und forschte, kennt die öffentlichen Debatten um Stammzellforschung aus Großbritannien und den USA. Und er hält solche offenen Diskussionen, die auch auf die ethischen Bedenken eingehen, für absolut nötig. Denn nur so könne es zu vernünftigen und transparenten Gesetzen kommen, die es in Österreich dringend brauche: "Wir Forscher müssen wissen, was wir dürfen und was wir nicht dürfen." Eben das sei aber derzeit aber nicht der Fall.

Das bestätigt auch Harald Isemann, administrativer Direktor des IMP, wo das erste und einzige Mal in Österreich mit humanen ES geforscht wurde. "Während in anderen Ländern Gremien über konkrete Forschungsprojekte mit ES befinden und dies entsprechend kontrollieren, gibt es in Österreich auch das nicht." Mit anderen Worten: Man kann in Österreich theoretisch Dinge mit ES tun, die womöglich in Ländern mit liberaleren Regelungen verboten wären. Ein Stammzellgesetz würde es jedenfalls erleichtern, ambitionierte Forscher, die an ES arbeiten, aus dem Ausland nach Österreich bzw. ans IMP zu holen, so Isemann.

Erste politische Reaktionen

Immerhin hat auch schon die Politik auf das Mehrheitsvotum der Bioethikkommission für die Liberalisierung der embryonalen Stammzellforschung reagiert: Der Ministerrat hat gestern Wissenschaftsminister Johannes Hahn mit der Leitung einer Arbeitsgruppe zum Thema Bioethik beauftragt. Ihr sollen neben Vertretern aus Hahns Ministerium auch das Justiz- und Gesundheitsministerium sowie das Bundeskanzleramt angehören.

"Der Minister wird in den nächsten Wochen zu einer ersten Arbeitsrunde laden", teilte ein Sprecher Hahns mit. Vorrangiges Ziel der nun eingerichteten Arbeitsgruppe soll "ein einheitliches Gesetz, sprich die Schließung der vorhandenen Gesetzeslücken" sein.

Etwas anders klang indes Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll, der keinen Grund für Neuerungen bei der embryonalen Stammzellforschung sah. Sie sei "nur ein Teil dessen, was zu diskutieren ist", so Pröll. Die Forschungsschwerpunkte seien in Österreich "weit weg" von embryonaler Stammzellenforschung. Man habe das Thema innerhalb der ÖVP immer kritisch gesehen, er sehe aber derzeit keinen Grund, strategisch von dieser Position abzuweichen.

Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen, sprach sich hingegen dafür aus, das Mehrheitsvotum der Bioethikkommission ernst zu nehmen. Die größere Regierungspartei SPÖ und die beiden übrigen im Parlament vertretenen Parteien enthielten sich bis jetzt einer offiziellen Stellungnahme. (Klaus Taschwer/STANDARD,Printausgabe, 25.3.2009)