Die wiedervereinten US-amerikanischen Butthole Surfers (li.) sowie der Brite Jason Pierce mit seiner grandiosen Band Spiritualized werden beim "donaufestival" den Begriff "Far out!" musikalisch verdeutlichen.

Fotos: donaufestival/Sanctuary

Punkrock und Psychedelic, das ging zuerst natürlich gar nicht. Von wegen Hippie-Dreck, Nirwana-Topfen, fünf Schlagzeuger, ausufernde Soli, Batikleiberl und anderer langhaariger Blödsinn von VW-Busfahrern, die von Woodstock nie wieder richtig nach Hause gefunden haben.

Aber Punkrock war ja auch ein Tabubrecher, und nachdem die naheliegendsten Tabus überwunden waren, wurde bald auch zweimal ums Eck gedacht. Spätestens dann kam also die oft bemühte ironische Brechung ins Spiel und mit ihr stieg der Stern der Butthole Surfers, die beim donaufestival nicht nur einen weiteren Reunion-Gig nach langer Pause spielen, sondern das heurige Thema "Fake Reality" musikalisch verkörpern.

Die feingeistig benannte Band, in den frühen 1980ern in Austin, Texas, gegründet, vermengte Punk mit Heavy Rock und ließ dazu ihrer kollektiven Neigung zum guten alten Lysergsäurediethylamid freien Lauf. Dieses als LSD leidlich bekannte Halluzinogen führte dann musikalisch flugs vorwärts in die Vergangenheit: Zu Wah-Wah-Gitarre, einem zweiten Schlagzeuger - zu so etwas wie psychedelischem Punk.

Das ging sich wider Erwarten aus, und die Butthole Surfers wurden mit Alben wie Locust Abortion Technician (1987) oder Hairway to Steven (1988) zu Fixgrößen im US-amerikanischen Underground der 1980er-Jahre. Zehn Jahre später sollten sie von ihrem Album Electric Larryland gar mehr als eine Million Alben verkaufen. Dieses war aber vom frühen Wahnsinn weitgehend bereinigt und gilt deshalb nicht.

Stroboskop und Go-Go's

Berühmt und berüchtigt waren die auch in den Simpsons zu Ehren kommenden Surfers für ihre durchgeknallten Live-Shows. Gibby Haynes, Hüne und Großmaul der Band und hierzulande zuletzt in den späten 1990ern als Sänger der Formation P (mit Hollywood-Beau Johnny Depp an der Gitarre) auf der Bühne zu sehen, mischte in den Sound der Buttholes selbstgebastelte Tape-Loops, während heftiges Stroboskop-Licht die halb- bis ganz nackten Go-Go-Tänzerinnen in zerhacktes Licht tauchte.

Dazu projizierte man mit Vorliebe Filmchen, die landläufig eher nicht unter "guter Geschmack" firmieren. "Far out", wie der gelernte Psychedeliker seit Timothy Leary, dem Hohepriester des farbenfrohen Spaziergangs am Hypothalamus, sagt.

Auf die Sogwirkung der Monotonie bei gleichzeitiger Zuführung höherer Dosen Spaßmachern vertraute hingegen Jason Pierce am Beginn seiner Karriere. Als Gitarrist von Spacemen 3 lotete er und sein Kollaborateur Sonic Boom mittels repetitiver, Ein- und Zwei-Akkordkunst die weiten des Raums aus: Taking Drugs to Make Music to Take Drugs To, nannte die Band eine Sammlung früher Demoaufnahmen, die den Weg der Band vorzeichnete. Nomen est omen.

Auch mit dem Nachfolgeprojekt Spiritualized bleibt Pierce sich und seinen Gewohnheiten bis heute treu. Mit Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space folgte 1997 ein erstes Meisterwerk. Dass das Doppelalbum wie eine Tablette verpackt war, verdeutlichte dabei nur die Ernsthaftigkeit des Anliegens. Beruf und Berufung sind bei Pierce offenbar deckungsgleich.

Spiritualized setzen bis heute auf eine mächtige Wall-of-sound-Ästhetik, die mit simplen Melodien perforiert wird. Phil Spector, Elvis und Timothy Leary in Klausur. Zur Meisterschaft gelangte dieser Ansatz am Album Let It Come Down, für das Pierce neben einem sechzigköpfigen Orchester auch einen Gospelchor beschäftigte, um die Entrücktheit auch (dem Namen) entsprechend spirituell aufzuladen.

Auch das ein Zeichen, dass Pierce - im Gegensatz zu den Butthole Surfers - seine Ausflüge durch Raum und Zeit etwas ernsthafter betreibt. Die Resultate sprechen in beiden Fällen für sich. Den Raumfahrerhelm nicht vergessen! (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.3.2009)