Florian Kaps

Foto: Daniel Gebhart (danielgebhart.com)

Das Sofortbild ist fast tot: 2008 stellte Polaroid die Produktion ein, seitdem horten Fans die Filme. Nun will der Wiener Florian Kaps das Unmögliche schaffen: einen neuen Sofortbildfilm entwickeln


Für einen Mann, der sich mehr als nur ein paar Scheine von Freunden und Bekannten geliehen hat, um "The Impossible Project" zu finanzieren, sieht Florian Kaps sehr gelassen aus. Der 39-Jährige sitzt in Wien hinter dem Museumsquartier in seinem "PolaPremium Shop" mit angeschlossener Galerie, die braunen Haare trägt er zum Zopf gebunden, um den Hals einen grünen Schal. Hinter ihm hängen die zu Blow-ups reproduzierten Werke diverser Polaroidfotografen.

Kaps, promovierter Biologe und seit Jahren Liebhaber von Polas, wie die Szene die Fotos abkürzt, erzählt vom unmöglichen Projekt: dass man von der insolventen US-Firma Polaroid Maschinen in deren holländischem Werk gekauft habe und mit einer Handvoll ehemaliger Polaroid-Mitarbeiter einen neuen Sofortbildfilm entwickeln wolle. Finanziert wird das Projekt von einer Gruppe privater Investoren, "Friends and family", sagt Kaps, "plus einige Polaroid-Lovers". Um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag fürs erste Jahr soll es sich handeln, neun Leute waren so waghalsig.

So waghalsig nun aber auch wieder nicht, schließlich gibt es noch genug Fans der Filme mit der eigenartigen Ästhetik und dem charakteristischen weißen Rahmen: In Wien machen Kaps und sein dortiger Kompagnon Andreas Höller laut eigenen Angaben rund zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr, das meiste davon über ihren Onlineshop PolaPremium.

Die Welt wartet

Denn die Fans sitzen überall, und sie sind nicht alle über 40, auch wenn einem Polaroids häufig in Filmen gestandener Regisseure begegnen, aktuell etwa in Danny Boyles "Slumdog Millionaire". Liest man die Jubeleinträge in Blogs, die auf die Ankündigung des "Impossible Projects" folgten, könnte man meinen: Die digitale Welt hat auf einen neuen Polaroidfilm gewartet. 'Tschuldigung: auf einen neuen Instant Integral Film. "Wir dürfen den Film nicht Polaroid nennen", sagt Kaps. "Ich verspreche mich auch dauernd."

Gemeinsam mit Kompagnon André Bosman, dem Ex-Produktionsleiter von Polaroid, treibt sich Kaps den Großteil der Woche im holländischen Enschede herum, in einem weißen Fabrikgebäude, an dem der Schriftzug Polaroid noch zu erahnen ist. Fast 200 Menschen werkelten einst in sechs Hallen, jetzt stehen die schweren Kolosse, die Chemieschränke, die Schreibtische und etliches verlassenes Material in einer einzigen Halle, die für das Projekt angemietet wurde. Und nur noch elf Ex-Polaroidler - dafür aber die besten Ingenieure, sagt Kaps - arbeiten an der Produktionsstätte.

Schon vergangenes Jahr, ausgerechnet zum 60. Geburtstag des Sofortbildes, hatte Polaroid die Filmproduktion eingestellt. 90 Prozent der Umsätze machte die Firma da aber ohnehin schon in anderen Zweigen, in der Medizintechnik beispielsweise, weiß Kaps - und beklagt, dass Polaroid jahrelang nicht den Riesenmarkt und das Potenzial der Pola-Fans gesehen habe. "Sie haben nichts draus gemacht." Vor drei Monaten dann beantragte das US-Unternehmen ein Insolvenzverfahren, nachdem ein mutmaßlicher Milliardenbetrug bei seinem Mehrheitseigner offenbar geworden war.

Nicht Kaps' Problem - er steht mit seinem Team selbst vor genug Herausforderungen: Jeder Polaroidfilm besteht aus 25 Teilen, für den neuen Instant Integral Film muss man jetzt Partner und Hersteller finden. Was genau am Ende rauskommt? "Wissen wir noch nicht", sagt Kaps wieder erstaunlich gelassen. "Das hängt von den Materialien und von den fotochemikalischen Testläufen ab." Derzeit verhandelt man mit dem britischen Schwarzweißfilm-Spezialisten Ilford.

Was mit einiger Wahrscheinlichkeit bedeutet: Der erste Film des Projektes, geplant für Anfang 2010, wird auch schwarzweiß sein. Billiger als heute dürfte er nicht werden, man strebt einen Preis zwischen 17 und 20 Euro für wohl zehn Bilder an.

Ganz selten beschleicht auch den unerschütterlichen Florian Kaps ein leichtes Unbehagen. "Manchmal schießt es mir schon durch den Kopf: Mensch, du hast jetzt all diese Maschinen gekauft ..." Aber es muss einfach klappen, um die Ikone am Leben zu halten: "Es gibt weltweit so viele Leute, vor allem Künstler, die sich mit Polaroids ihr Leben finanzieren."

60 Jahre erfolgreiches Branding

2010 will das Team drei Millionen Filme absetzen, was etwa der derzeitigen Nachfrage entspricht. Kann gut sein, dass "The Impossible Project" bald konkrete Hilfsangebote übers Web formulieren wird, um Hersteller und Partner zu finden. Angesichts der Pola-Fangemeinschaft ein erfolgversprechender Weg, hofft Kaps.

Aus der Ruhe bringen lässt er sich allenfalls dann, wenn man ihm unterstellt, Nostalgiker zu sein. "Wir sind nicht stehengeblieben, wir wollen eine Story erzählen." Der Sofortbildfilm löse etwas bei den Menschen aus - nicht zuletzt deshalb, weil 60 Jahre lang Zigmillionen in die Marke geflossen seien, um genau das den Menschen beizubringen. "Starte kein Projekt, bevor es nicht wirklich wichtig ist - und so gut wie unmöglich." So lauten die Worte des Sofortbildfilmerfinders Edwin Land, die sich das Team in Enschede auf die Fahnen geschrieben hat. In einigen Monaten werden wir wissen, ob das Unmögliche möglich geworden ist. (Mareike Müller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.3.2009)