Staatsarchivar Rudolf Jerabek entdeckte die Akte Zilk.

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Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv", hat der 2001 verstorbene Journalist Robert Hochner einmal gesagt. Was voraussetzt, dass man weiß, wo was zu finden ist. Rudolf Jerabek weiß es, wie er mit dem Aufstöbern des staatspolizeilichen Dossiers über Helmut Zilks Kontakte zum tschechoslowakischen Geheimdienst bewiesen hat.

Dass im Österreichischen Staatsarchiv zunächst nur ein leeres Deckblatt mit den Daten der letzten Aushebung des Aktes auftauchte, hat den Ehrgeiz des 52-jährigen Historikers, der seit 1985 im Staatsarchiv beschäftigt ist, angestachelt. Aber wo anfangen, wenn insgesamt 177.700 Regalmeter zur Auswahl stehen? "Ich wusste, dass ich in der Mikrofilmsammlung fündig werde", erzählt der kahlköpfige Referatsleiter für Akten der Ressorts Prä- sidentschaftskanzlei, Bundeskanzleramt, Inneres und Justiz.

Doch weil zur Zusammenfassung des Zilk-Aktes (dessen Original vermutlich schon längst skartiert wurde) damals keine brauchbaren Karteikarten geliefert wurden, musste er hunderte Seiten in Protokollbüchern durchsuchen, bevor er schließlich den entscheidenden Hinweis fand, wo der entsprechende Mikrofilm lag. Nur wenige Minuten nachdem der archivarische Fahndungserfolg bekanntgeworden war, legten wissbegierige Medien fast die Telefonanlage im Staatsarchiv lahm, drei Stunden später war auch der Akku von Jerabeks Privathandy erschöpft.

Erfahrungen mit stürmischen Medien hat der ledige Wiener schon vor mehr als zehn Jahren im Zusammenhang mit dem Bombenattentäter Franz Fuchs gemacht. Rudolf Jerabek hatte als Gerichtsgutachter geprüft, ob das breitgestreute historische Kauderwelsch in der Bekennerbriefen von einer oder mehreren Personen verfasst worden war. Das Resultat stützte die Einzeltätertheorie. "Es handelte sich um wild zusammengewürfelte Angaben aus veralteten Büchern, die auch bei Fuchs damals gefunden worden sind. Es sprach nichts dafür, das mehrere Autoren beteiligt waren", erinnert sich Jerabek.

Das Klischee des graubemäntelten Archivars, der sich ärmelschonergeschützt in Bücherbergen vergräbt, erfüllt Jerabek freilich nicht. Er vermittelt sein Zeitgeschichtewissen auch außerhalb des Staatsarchivs, unter anderem als Lektor an der Universität Wien und als Lehrer für den Archivarverband. Die Erhaltung von Kulturgut ist Jerabek auch privat wichtig: So gehört er zu den wenigen Österreichern, die die 1938 abgeschaffte Gabelsberger Kurzschrift beherrschen. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 27. März 2009)