STANDARD: Wie unterscheidet sich ein Formel-1-Kers von der normalen Mild-Hybrid-Technologie aus der Serienproduktion?

Schöggl: Die Elemente sind grundsätzlich sehr ähnlich. Wir haben in beiden Fällen ein Energiespeichersystem und einen Energiewandler, der die gespeicherte Energie in mechanische umwandelt. Das ist in der Regel ein Motor bzw. ein Generator. Und wir haben in beiden Fällen eine elektronische Steuerung. Das sind die grundsätzlich immer vorhandenen drei Grundsysteme. Einer der Hauptunterschiede ist vor allem der Preis - im Fall von Kers sprechen wir ja hier von sehr geringen Stückzahlen. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass es beim Kers per Reglement nur erlaubt ist, den Energiespeicher während des Bremsvorgangs zu laden. Die Bremszeiten in der Formel 1 sind aber sehr kurz, in der Regel nur wenige Sekunden. Das stellt große Herausforderungen an den Speicher, da man in sehr kurzer Zeit sehr hohe Energien in den Speicher hineinbekommen muss.

STANDARD: Bei den unterschiedlichen Anforderungen der beiden Systeme - wo halten Sie einen Technologietransfer aus der Formel 1 in die Serienautos für möglich?

Schöggl: Hauptsächlich im Speicherbereich, also in der Batterietechnologie. Herkömmliche Systeme dürfen nicht viel weiter als bis zu rund 50 Prozent entladen werden. Dazu kommt, dass man für das Aufladen viel Zeit braucht. Da ist man eher im Stundenbereich. In der Formel 1 geschieht das komplette Laden und Entladen der Batterie in wenigen Sekunden. Ich denke, man kann in diesem Bereich erwarten, dass neue Technologien gesucht und auch gefunden werden, die, sofern sie finanzierbar sind, auch den Weg in die Serie finden.

STANDARD: Keramikbremsen, Automatikgetriebe, Leichtbau - aus der Formel 1 sind schon einige Technologien in Serienautos gewandert. Wird Kers diesen Technologietransfer nun auf ein neues Level heben?

Schöggl: Ja, aber nur insofern, dass der Technologietransfer in den letzten Jahren etwas zurückgegangen ist. Das Reglement - außer jetzt bei Kers, das frei gestaltet werden kann - war noch nie so streng wie heute. Der Transfer ist also auf einige Bereiche, momentan Kers, beschränkt und somit gleichzeitig intensiviert und kanalisiert worden.

STANDARD: Ist die Formel 1 mit Kers für Sie spannender geworden?

Schöggl: Für mich persönlich auf jeden Fall. Ob das auch für andere Zuschauer gilt, kann ich nicht sagen. Mehr Überholmanöver durch Kers, wie es geplant war, hat es ja noch nicht gegeben. Ich schaue aber anders hin. Am interessantesten ist für mich etwa, wann genau die Fahrer Kers einsetzten. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.04.2009)