"Das einzige Fitnesscenter, das tatsächlich boomt, ist das, das am wenigsten kostet. Es heißt 'draußen'." In der Regel ist Peter Zellmann sehr zurückhaltend, Entwicklungen in der Fitness-, Wellness- oder Sportszene das Etikett "Trend" umzuhängen. Schließlich, erklärt der Wiener Freizeitforscher, sei es gang und gäbe, "Dinge aus Marketinggründen zum Trend zu erklären. Und weil die Medien Geschichten und Inserate brauchen, spielen sie mit." Und schreiben "über Zuwächse, die es gar nicht gibt".

Doch weil billige oder kostenlose Betätigungen wenig PR-Lobby haben, wird dort, wo es "relevante und signifikante Zuwächse" gibt, kaum berichtet: "Wer wandert, läuft, klettert, Rad fährt, schwimmt oder bergsteigen geht, braucht weniger Ausrüstung. Die hält dafür in der Regel ein paar Jahre. Und er zahlt keine Mitgliedsbeiträge." 

Doch dass sich immerhin ein Drittel der Österreicher sportlich bewegt (ein weiteres Drittel der Bevölkerung würde gerne, kommt aber nicht dauerhaft von der Couch hoch, das letzte Drittel gilt als für Bewegungsmotivatoren absolut unerreichbar), liege "ausschließlich in der Attraktivität des Sportplatzes Landschaft". Zellmann weiter: "Die drei Säulen der Jetzt- Gesellschaft lauten Flexibilität, Individualität und Spontaneität - all das erfüllen Outdoor-Sportarten besser als jede Club- oder Vereinsaktivität."

Die Zunahme an sportlicher Aktivität (in den 80er waren es lediglich 25 Prozent Aktive) läge "ausschließlich im Outdoorbereich. Fitnesscenter und Vereine führen einen steten, lauten Umverteilungswettkampf untereinander, bleiben aber im in Summe gleich."

Paradigmenwechsel

Den Zug ins Freie führt der Freizeitforscher auf einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft zurück: Der Mensch verschlafe ein Drittel seines Lebens. Lediglich 14 Prozent, rechnet Zellmann, würden Ausbildung und Arbeit ausmachen. "Aber die Wertigkeit der übrigen 53 Prozent hat sich massiv gewandelt: Noch in den 80ern galt es als verpönt, zuzugeben, dass man überhaupt Zeit hat - heute dagegen gilt nur als erfolgreich, wer auch die Freizeit zu nutzen versteht."

Und da, räumt der Forscher ein, hätte dann doch das intensive Marketing für Wellness-Anlagen und ganzheitlichen Gesundheitszugängen Früchte getragen - auch wenn der Trend ins Freie Yoga-Studios und Fitnesscentern nun Kundschaft abspenstig mache: "Niemand baut einen Wellness-Tempel, um Menschen zum Wandern zu bringen - aber wer ein bisserl mitdenkt, kommt rasch selbst drauf, was eine Wiese und ein See für eine Wirkung haben können."

Und das bei weitaus geringeren Kosten: Equipment gibt es zwar - und es wird laufend weiterentwickelt. Doch Outdoor-Ausrüstung folgt dem, was die Menschen tatsächlich tun - bei neuen Trendsportarten ist es oft umgekehrt.

Darüberhinaus prognostiziert der Freizeitforscher Outdoor-Aktivitäten mittelfristig enormes Wachstumspotenzial: "Wenn die Krise den Mittelstand zum Sparen zwingt, werden Fitnesscenter ihre blauen Wunder erleben: Die Menschen werden vom Laufband wieder in die Natur gehen."

Doch gerade beim Equipment gelte es in Sparzeiten verstärkt auf die Bedürfnisse der Klientel einzugehen: Immer besserem und immer spezifischerem Material stehe immer weniger Geld gegenüber. "Wer multifunktionales Equipment anbietet, wird gewinnen." Ein Trend, den Alpinausstatter wie Salewa mit Multifunktionshelmen für Radfahrer, Kletterer und Skifahrer oder Pulsuhr- oder Navi-Hersteller wie Polar oder Garmin, die Radfahrer und Läufer mit Kombi-Produkten ansprechen, zum Teil schon erkannt haben.

Auch Touristiker wenden den Blick verstärkt auf Sportarten, die auf den ersten Blick weniger Umsatz versprechen, bestätigt Oliver Schwarz, Direktor des Ötztal Tourismus: "Wandern und Bergsteigen in allen Varianten - also laufend, gehend oder auch auf dem Rad - wird von den Gästen am meisten nachgefragt und praktiziert." Das Getöse über hippe Trendsportarten sei zwar lauter und greller, tatsächlich gelte es aber zu erkennen, dass immer mehr Menschen "nicht Höchstleistungen, sondern die Reise ins Ich suchen. Und die in der Natur ist kostenlos."  (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 15.4.2009)