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"Mein Gehirn arbeitet jetzt besser als mit 20." Rita Levi-Montalcini feiert ihren 100. Geburtstag.

Foto: EPA/ETTORE FERRARI

Rita Levi-Montalcini ist Wissenschafterin und mit ihren nunmehr 100 Jahren die älteste, lebende Nobelpreisträgerin. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die einen Nobelpreis in einem der naturwissenschaftlichen Bereiche Physik, Chemie und Physiologie oder Medizin bekommen hat.

Rita Levi-Montalcini wurde am 22. April in Turin als Tochter des jüdischen Ingenieurs und Mathematikers Adamo Levi und der Malerin Adele Montalcini geboren. Der konservative Vater musste von der jungen Rita erst hartnäckig überzeugt werden, dass es ihr mit dem Wunsch, Medizin zu studieren, ernst war. Die Eltern hatten für ihre Tochter schon eine Zukunft als Hausfrau und Mutter geplant, weshalb sich der Vater auch für den Besuch einer Mädchenschule entschied, die nicht mit einer Hochschulreife abschloss.
"Schon mit 20 wusste ich, dass ich weder Ehefrau noch Mutter sein wollte. Das habe ich meinem eher konservativen Vater offen gesagt, der resignieren musste", so Levi-Montalcini in einem Interview.

Hochschulreife

Auslöser des Wunsches, Medizin zu studieren, war die Krebserkrankung ihres Kindermädchens, die sie unbedingt heilen wollte. Aufgrund der fehlenden Hochschulreife musste sie ihr Ziel besonders energisch verfolgen. Sie lernte in Privatkursen acht Monate lang Latein, Griechisch und Mathematik, um als externe Kandidatin die Hochschulreife zu erwerben.
1930 konnte sie schließlich ihr Medizinstudium in Turin beginnen, ihre wissenschaftliche Karriere musste sie aber bereits 1938 unterbrechen, als in Italien die NS-Rassengesetze eingeführt wurden. Sie emigrierte nach Brüssel, musste jedoch vor den deutschen Truppen wieder nach Italien flüchten, wo sie aufgrund der Nazi-Besatzung untertauchte.
Nach Kriegsende kämpfte Levi-Montalcini in Flüchtlingslagern gegen Seuchen und Epidemien.

Neues Kapitel für die Forschung

1947 verließ sie Europa und legte in Amerika die Weichen für ihre Pionierarbeit an Wachstumsmechanismen von Organen und Zellen. Die Neurobiologin entdeckte in den 50igern das Nervenwachstumsfaktor NGF (Nerve Growth Factor) und schlug damit ein völlig neues Kapitel in der Erforschung des Nervensystems auf. Im Zuge dieser Forschung setzte sie sich mit der Nachrichtenübertragung im Körper auseinander, beispielsweise wie die Übertragung eines Nadelstichs an einem Finger zum empfundenen Schmerz funktioniert.
Ihr Laborkollege, der US-Biochemiker Stanley Cohen, lüftete weitere Geheimnisse der komplizierten Nachrichtenübertragung im Körper.
Cohen und Levi-Montalcini fanden heraus, dass eine gestörte Kommunikation zwischen den Zellen eine der Hauptursachen für die Entstehung bösartiger Tumoren ist. Für diese für die Krebsforschung relevante Forschungsarbeit bekamen Levi-Montalcini und Cohen 1986 gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Levi-Montalcini war zu diesem Zeitpunkt 77 Jahre alt. Den Geldbetrag, den man im Zuge des Nobelpreises erhält, stellte die Forscherin dem wissenschaftlichen Nachwuchs in ihrem Spezialgebiet zur Verfügung.

Engagement

Ab 1961 baute die Wissenschaftlerin in Rom eine Forschungseinheit auf und begann dort eine Zusammenarbeit mit der Universität in St. Louis. Sie lebte zu der Zeit jeweils ein halbes Jahr in Rom und in St. Louis. 1969 wurde sie Direktorin des "Instituts für Zellbiologie" des "Nationalen Forschungsrates" in Rom. Nach ihrer Pensionierung als Universitätsprofessorin 1977 zog sie ganz nach Rom und gab 1979 den Posten als Direktorin ab.

Obwohl Levi-Montalcini selbst einmal über sich sagte, "ich stehe ausschließlich im Dienst der Forschung", war und ist sie auch sozial und politisch aktiv. Sie engagierte sich beispielsweise bei Amnesty International besonders gegen Gewalt gegen Frauen. Ebenso wirkte sie auch als Präsidentin der Multiple-Sklerose-Gesellschaft. Zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Fragen nimmt sie nach wie vor Stellung.
Gelegenheit hat sie dazu als Senatorin auf Lebenszeit, wozu sie von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi 2001 ernannt wurde. Ihre Gegenstimme hat sie in dieser Funktion bisher nicht selten gegen Projekte von Berlusconi erhoben.
Ihrer Leidenschaft, der Forschung, geht Levi-Montalcini auch noch mit ihren 100 Jahren nach. In einem Interview aus Anlass zu ihrem 100. Geburtstag meinte sie: "Mein Gehirn arbeitet jetzt besser als mit 20. Hinzu habe ich noch den Vorteil der vielen Erfahrung, die ich angesammelt habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich 100 Jahre alt werde, ich hatte ein Leben voller Freude, wie sie Wenige gehabt haben". (beaha, dieStandard.at, 21.4.2009)