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Der Österreichische Sanitätsrat empfiehlt Immunisierung gegen 13 Krankheiten.

Foto: APA/dpa/Achim Scheidemann

Fast alle Menschen in Österreich halten Impfungen für wichtig. Nur zwei Prozent deklarieren sich als "unverbesserliche Impfmuffel". Das ist zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von Oekonsult unter 1193 Personen, die, so die Autoren ausdrücklich, nicht von der Pharmaindustrie in Auftrag gegeben worden sei.

Eine sich langsam entwickelnde Impfmüdigkeit, wie hier und dort vermutet, konnte die Umfrage nicht feststellen. Der Wille, sich der Vorsorge zu unterziehen, scheint ungebrochen. Allein: "Eine deutlich verbesserte Impflandschaft in Österreich können sich 85 Prozent der Umfrageteilnehmer vorstellen. Der Zugang zur sinnvollen Schutzimpfung muss einfacher, leichter und bequemer werden", lautet ein weiteres Ergebnis.

Und das dritte Resultat: Zwei Drittel der Österreicher glauben auch daran, dass Impfkampagnen primär gesundheitsorientiert sind. Allerdings dürfte - nimmt man einzelne Kategorien im Ranking zusammen - ein weiteres Drittel eher an "Geschäftemacherei" glauben, 13 Prozent sind davon sogar überzeugt.

Zwei Welten

Tatsache ist, dass bei den meisten Diskussionen zum Thema Impfungen zwei Welten aufeinanderprallen: Jene von überzeugten Medizinern, von denen einige in laufenden Impfstudien mitwirken, und jene von Impfgegnern, von denen einige wissenschaftliche Tatsachen ignorieren und in anthroposophische Argumentationen eintauchen.

Mit jährlich mehr als drei Millionen injizierter Impfdosen in Österreich, mit denen etliche hundert Millionen Euro umgesetzt werden, stellt sich aber unweigerlich die Frage, ob das menschliche Immunsystem mit dieser Herausforderung überhaupt fertig wird. "Aber sicher doch", erklärt die Wissenschafterin Beatrix Grubeck-Loebenstein, Direktorin des Innsbrucker Instituts für Biomedizinische Alternsforschung der Akademie der Wissenschaften und Leiterin der dortigen Abteilung für Immunologie sowie Mitglied des Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates in Österreich.


Was verträgt das System?

"Das Immunsystem ist durchaus in der Lage, mit einer ganzen Reihe von Infektionen umzugehen", erklärt Grubeck-Loebenstein, "und da Impfungen wie ganz leichte Infektionen sind, brauchen sich gesunde Menschen keine Gedanken machen."

Und die Impfungen werden besser. Seit mehreren Jahren werden Konservierungsmittel, die Quecksilber enthalten, aus der Produktion entfernt. Problematische Stabilisatoren, Formaldehyd oder Antibiotika zunehmend vermieden, unhygienische Anzüchtungen der Keime auf Mäusehirnen oder Hühnerembryos durch moderne Technologien ersetzt. Dies erhöhe laut der Immunologin die Sicherheit.

Freilich, betont Grubeck-Loebenstein in Richtung Impfgegner, könnten unerwünschte Nebenwirkungen oder gar fatale Impfschäden "niemals ganz ausgeschlossen werden", doch sei beispielsweise das "Risiko, nach einer Maserninfektion an einer Hirnhautentzündung mit bleibenden Schäden zu erkranken, viel höher als das Risiko einer Impfkomplikation". Letztlich sei es eine persönliche Risikoabschätzung, Impfpflicht gibt es nicht.

So sei auch der österreichische Impfplan nur eine Empfehlung, wenngleich Grubeck-Loebenstein kritisiert, dass hier in vielen Bereichen noch zu wenige Forschungsergebnisse vorlägen - insbesondere über das alternde Immunsystem.

"Eines aber wissen wir heute jedenfalls", betont die Wissenschafterin: Je früher man sich impfen lasse, desto weniger Probleme habe man im Alter. Denn mit den Jahren verliere das Immunsystem entscheidende Zellen. Und es sei viel einfacher, vorhandene Gedächtniszellen zu boostern, als später mit den Impfungen neue Antigene aufzubauen.

In dieser Hinsicht scheut die Immunologin auch nicht vor Kritik an Impfkampagnen: "Gerade bei älteren Menschen ist eine Schutzimpfung gegen Influenza wichtiger als gegen FSME. Dennoch sind viel mehr gegen FSME geimpft, auch wenn sie gar nicht mehr in der freien Natur herumlaufen, als gegen die gerade im Alter oft tödlich verlaufende Influenza. Und warum? Weil sie mit den Zecken-Plakaten ganz hysterisch gemacht werden." Hier gelte es, wie bei anderen Impfungen auch, nicht nur die Risiken der Krankheiten, gegen die man sich immunisieren kann, aufzuzeigen, sondern auch die Risikogruppen deutlich anzusprechen. Diesbezüglich übt Grubeck-Loebenstein auch massive Kritik am ärztlichen und am Pflegepersonal, die sich oft nicht impfen lassen und so zu Virus-Überträgern werden.


Alle Jahre Grippe?

Die jedes Jahr neu anzupassenden Impfungen gegen Influenza seien derzeit auch brisantester Gegenstand der laufenden Forschungen. Hier versuche die Wissenschaft, schneller und (treff-)sicherer in der Herstellung zu werden. Daneben werde sehr viel Forschungsarbeit in Adjuvantien gesteckt, in Impfzusatzstoffe, um die Immunisierung effizienter zu gestalten.

Parallel dazu laufen weltweit die größten Anstrengungen, vom klassischen Impfwesen, das eine prophylaktische Bedeutung hat, wegzukommen und in den therapeutischen Bereich einzudringen. Impfungen gegen Tumoren, gegen Nikotinsucht, Alzheimer, Parkinson und Diabetes werden derzeit zu Dutzenden entwickelt und getestet, wie viel davon freilich die klinischen Tests positiv durchlaufen und in den medizinischen Alltag integriert werden, bleibt abzuwarten. Hier ist insbesondere die Biotech-Branche rege, darunter auch österreichische Firmen wie Affiris oder Infineon.

Einstweilen arbeitet der Sanitätsrat bereits am neuen Impfplan. "Er wird vermutlich Neuerungen bringen." Es sei damit zu rechnen, dass neue Präparate und Kombinationen auf den Markt kommen. Daher könne man ab nächstem Jahr die Anzahl der Impfungen und Auffrischungen insbesondere für Kinder reduzieren. Denn oberstes Ziel müsse sein: "So wenig wie möglich, so viel wie nötig."(Andreas Feiertag, DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2009)