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"Lobbying ist akribische Puzzlearbeit, die Kernarbeit ist das saubere Durcharbeiten von Ideen und Themen, Recherchieren, Papiere entwerfen, wieder verwerfen, neu entwickeln. Es ist wie dreidimensionales Schachspielen".

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Peter Köppl, Gründer und Partner von Kovar & Köppl Public Affairs Consulting, ist als Lobbyist für Verbände und Unternehmen tätig, er ist mehrfacher Buchautor und Universitätslektor.

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Am 6. Mai findet in Wien der erste Lobbying-Kongress, organisiert von Kovar & Köppl Public Affairs Consulting, statt. "Diplomatisches Geschick, hohe Sachkompetenz und große Neugier zeichnet einen guten Lobbyisten aus", so Peter Köppl im Interview mit Astrid Ebenführer. Der schlechte Ruf von Lobbying stört ihn persönlich nicht, denn "in diesem Geschäft zählt ohnehin nur ein einziges Image: das der agierenden Person".

etat.at: Lobbying wird nach wie vor oft mit "Mauschelei hinter verschlossenen Türen" assoziiert. Warum hat Lobbying nach wie vor dieses eher negative Image?

Köppl: In der Branche der politischen Interessensvertretung gibt es wie überall schwarze Schafe und Unfälle. Ein Anwalt oder ein Finanzberater, der etwas falsch macht, ruiniert das Image der ganzen Branche, das ist im Lobbying genauso. Das war so und wird immer so sein, da hilft kein Berufs- oder Ehrenkodex.

Der zweite Grund für das schlechte Image von Lobbying hat mit der Arbeit der Lobbyisten zu tun. Lobbying findet nun mal nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit statt, Interessensvertretung wird durch persönliche Gespräche realisiert, nicht über Medien oder öffentliche Veranstaltungen. Dadurch beklagen viele einen Mangel an Transparenz.

Und natürlich gibt es auch einzelne Branchen- oder Industriesektoren, die offensichtlich einen anderen Zugang haben, z.B. die Waffen- oder Rüstungsindustrie. Hier findet weltweit ein Skandal nach dem anderen statt, da muss im System selber was faul sein.

etat.at: Auch Sie weisen z.B. auf Ihrer Homepage ihre Kunden nicht aus. Ist es im Lobbying ein Geheimnis, für wen man arbeitet?

Köppl: Zeigen Sie mir eine Rechtsanwaltskanzlei, die ihre Kunden ausweist. Bei Rechtsanwälten ist es vollkommen selbstverständlich, das nicht zu tun. Dort gehe ich hin im Vertrauen, dass meine Interessen so geschützt werden und dass niemand weiß, durch wen ich vertreten werde.

etat.at: Sie sehen Public Affairs auch nicht als Teil von Public Relations?

Köppl: Da bin ich bekanntermaßen streitbar. Im angloamerikanischen Raum und auch in Brüssel ist Lobbying deutlich näher dem Geschäft von Rechtsanwälten als dem der klassischen PR. Wir sind bei fast allen Klienten der Verschwiegenheitsklausel verpflichtet. Schon Otto von Bismarck hat gesagt: "Politik und Würste haben eines gemeinsam: Man sieht besser nicht, wie sie gemacht werden". Es gibt einen großen Teil der täglichen politischen Arbeit, die nicht öffentlich stattfindet, und davon ist Lobbying ein Teil.

Lobbying ist ein normaler Prozess einer entwickelten Demokratie, in einer Diktatur gibt es kein Lobbying. Politik ist ein Markt, und der Wettbewerb der Interessen ist an der Tagesordnung.

etat.at: Das heißt, dieses Image wird sich also auch nicht ändern.

Köppl: Es tut mir sehr leid für alle die in dieser Branche arbeiten oder arbeiten wollen, aber ja, das ist so und das wird sich auch nicht großartig ändern. Es gibt immer wieder Bestrebungen und Ideen in Sachen Imagekampagne für Lobbying. Ich finde das ist vergossene Milch. Durch eine Imagekampagne kann man vielleicht den Berufsstand attraktiver machen. Man kann aber mit Sicherheit keine schwarzen Schafe vertreiben, dazu gibt es Gerichte und Antikorruptionsgesetze.

etat.at: Stört Sie persönlich dieser Ruf?

Köppl: Nein. In diesem Geschäft zählt ohnehin nur ein einziges Image: das der agierenden Person.

etat.at: Public Affairs wird in den nächsten Jahren deutlich an Bedeutung zunehmen, ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie des Public Relations Verbandes Austria. Ist Lobbying ein Krisengewinner?

Köppl: Wir haben in Österreich und in der EU aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise einen steigenden Staatsdirigismus, einen Trend eher hin zur Verstaatlichung als zur Privatisierung, einen Trend zum politischen Zugriff auf Unternehmen. Darum brauchen Unternehmen verstärkt eine professionelle Managementform, wie sie mit diesem staatlichen und politischen Zugriff umgehen. Vor diesem Hintergrund kann man schon sagen, dass Lobbying von der Krise profitiert. Unternehmen haben hier mit Lobbying ein Mittel, ihre Interessen gegenüber der Politik durchzusetzen. Daher glaube ich, dass Lobbying in Österreich einer der großen Wachstumsmärkte ist, auch weil Österreich in diesem Bereich zehn Jahre hinter Deutschland und 20 Jahre hinter Brüssel nachhinkt.

Vor allem der Beratermarkt ist in Österreich noch unterentwickelt, da ist noch viel mehr drinnen. Allerdings im hochqualifizierten Bereich, nicht im Massenmarkt. Es gibt in Österreich vielleicht 50 wirklich gute Lobbyisten, die das Geschäft verstehen und sich in Brüssel genauso gut bewegen können wie in Wien.

etat.at: Was zeichnet einen guten Lobbyisten aus?

Köppl: Diplomatisches Geschick, er muss mehr sein als ein guter Kommunikator. Er muss auch gepflegte Streitkommunikation beherrschen. Interessenvertretung ist nicht nur nett, man muss hart sein können, aber das professionell.

Wichtig ist auch eine hohe Sachkompetenz. Ein guter Lobbyist muss in der Lage sein, nicht nur oberflächlich mitreden zu können, er muss in die Tiefe gehen. Da gehört eine gewisse intellektuelle Einstellung, die Offenheit, das auch zu wollen. Man muss sich heute mit internationaler Finanzarchitektur, morgen mit Pharmazie und Zulassungen und übermorgen mit ganz einem anderen Thema beschäftigen.

Das dritte ist eine über das normale Maß hinausgehende Grundsubstanz an Neugier. Ein Lobbyist, der nicht Teletext- und APA-süchtig ist, wird wenig mitbekommen. Obwohl Medien für uns immer ein Rückspiegel sind, weil wir viel weiter davor arbeiten. Aber eine selbstverständliche Neugier, was tut sich in einer Partei, woran wird gerade getüftelt in einer Regierungsklausur, wirklich, nicht nur kommunizierend, das ist notwendig.

etat.at: Welche Ausbildung sollten Lobbyisten haben?

Köppl: Empfehlenswert ist natürlich immer eine fachliche Ausbildung, in der man gelernt hat, was es bedeutet, sich in der Vertiefung mit etwas auseinanderzusetzen. Ob das jetzt Theaterwissenschaften oder Hochbau ist, ist im Endeffekt egal. Das Know-how der Recherche und Wissen aufzuarbeiten ist essenziell. Es geht oft darum, aus fünf EU-Dokumenten, zehn Dokumenten von Parteien und einer Gesetzesvorlage einen Zehnzeiler zu destillieren, der den gesamten Inhalt berücksichtigt, um damit einen Vorstandsvorsitzenden zum Bundeskanzler schicken zu können.

Lobbying ist akribische Puzzlearbeit, die Kernarbeit und rund 80 Prozent ist das saubere Durcharbeiten von Ideen und Themen, Durchdenken, Recherchieren, Argumentieren, Papiere entwerfen, wieder verwerfen, neu entwickeln. Es ist wie dreidimensionales Schachspielen. Es geht darum, sich genau zu überlegen, wen brauche ich, wer ist der Gewinner, wer darf nicht verlieren, welche Eventualitäten könnten eintreten. Die restlichen 20 Prozent sind dann Gespräche, Diskussionsrunden in einem engen kontrollieren Raum mit wenigen Akteuren, nicht in der großen Öffentlickeit. Und ich muss genau wissen, wie der Entscheidungsträger arbeitet. Jede Branche hat eine eigene Sprache, und diese jeweilige Sprache muss ich perfekt sprechen.

etat.at: Viele Politiker wechseln nach ihrer Karriere in den Lobbyismus. Sind das die besseren Lobbyisten?

Köppl: Meine Erfahrung ist, dass nur wenige sich lange halten. Das sind natürlich Akteure, die das politische Geschäft von innen heraus kennen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass die Vermutung, wenn jemand in einer Partei war, er dann der optimale Lobbyist in diese Partei hinein ist, ein Trugschluss ist. Denn warum sollen sich die Kolleginnen und Kollegen von einem ehemaligen Mitarbeiter die Welt erklären lassen?

etat.at: Die drei größten heimischen Lobbyingprojekte?

Köppl: Ich könnte mir vorstellen, dass die österreichische Regierungsspitze gemeinsam mit Akteuren aus dem Bankenwesen auf europäischer Ebene nicht nur Politik und Diplomatie betreiben, sondern sehr wohl auch das, was wir unter Lobbying verstehen, damit es ein ordentliches, nach österreichischen Ideen ausgestaltetes, Bankenrettungspaket für Osteuropa gibt. Das ist mit Sicherheit eines der größten Projekte zur Zeit.

Ich kann mir auch vorstellen, dass einige Akteure der Sozialpartnerschaft stark Lobbying betreiben, damit ihre gemeinsame Idee, wie das Gesundheitssystem aussehen sollte, umgesetzt wird. Da gibt es dutzende Interessen. Hier wird mit Verve und Akribie Lobbying betrieben. Vergangenes Jahr wurden mehrere Kammern und Verbände in den Verfassungsrang gehoben, inklusive Pflichtmitgliedschaft usw. Das war z.B. eine als solche titulierte Lobbyingkampagne, vor allem von Arbeiterkammer und ÖGB.

etat.at: Welche Berufsgruppe hat hierzulande das beste Lobbying?

Köppl: Die Organisationen aus dem Agrarsektor sind sicher sehr gut aufgestellt: der Raiffeisenkonzern auf der einen Seite, aber auch Bauernbund oder die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern haben nicht nur Personen an allen Schalthebeln der Macht etabliert, sondern sind auch sehr streitbare Interessensvertreter. Unterschätzen würde ich auch nicht die Ärzteschaft, auch abseits des symbolisch-politischen Getöses von Streikdrohungen und Medienarbeit, läuft im Hintergrund eine ordentliche Maschinerie an kontinuierlicher Interessensdurchsetzung.

Von den Unternehmen her gibt es einige, die sehr effizient sind, das sind meistens jene Unternehmen, die einer sehr hohen Regulierungsdichte durch den Staat unterliegen. Telekom, Postbereich, Energiewirtschaft, Glückspiel. Überall dort, wo das Gesetz sehr stark definiert und reguliert, findet natürlich Lobbying statt und das sind dann meist auch die Best Performer. Ohne Lobbying kann man hier kaum wirtschaftliche Ziele erreichen.

etat.at: Beispiel aus der Werbe- bzw. Medienbranche?

Köppl: Hier fällt mir ein Beispiel für zu wenig Lobbying ein. Beim Streit um die Werbeabgabe frage mich immer, warum einer Werbewirtschaft nichts besseres einfällt als ein paar Plakate wohin zu picken oder Presseaussendungen zu machen. Sich ins Landtmann zu setzen und eine Pressekonferenz zu veranstalten bringt hier eher wenig. Hier muss man direkt zu den Entscheidungsträgern gehen und versuchen, Teil einer Lösung und nicht Teil des Problems zu sein. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 29.4.2009)