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Im Vorjahr wurde noch der Stromnotstand an die Wand gemalt, jetzt gibt es plötzlich überschüssige elektrische Energie am Markt - Folge der immer weiter um sich greifenden Wirtschaftskrise.

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Wien - Die erfolgsverwöhnte und lange für krisenfest gehaltene Strombranche kommt jetzt selbst unter Druck. Weil Sektoren wie die Auto-, Stahl- oder Papierindustrie mit Produktionseinbrüchen von 30 und mehr Prozent konfrontiert sind, arbeiten viele Firmen kurz oder versuchen, die Produktion sonst wie einzuschränken. Die Folge: es wird weniger Strom benötigt als 2008 eingekauft worden ist.

"Die derzeitige Situation ist weder für die Stromkunden noch für uns erquicklich", sagte der für den Stromvertrieb bei der Energie AG Oberösterreich zuständige Geschäftsführer Hans Zeinhofer dem Standard. "Bei uns geht es um einige 100 Gigawattstunden, die wir bei Kunden unter Vertrag haben, die wegen der Krise aber nicht abgerufen werden. Diese Mengen müssen wir jetzt zu deutlich niedrigeren Preisen auf dem Markt verkaufen. Das schlägt voll auf unser Ergebnis durch."
Kostete Bandstrom an der Börse in Leipzig im vergangenen Sommer noch rund 90 Euro je Megawattstunde (MWh), sind es derzeit nur etwas mehr als 40 Euro. Und der Druck auf die Preise hält an, weil der Markt mit nicht benötigtem Strom geflutet wird.

Die Energie AG Oberösterreich ist vom Wirtschaftsabschwung besonders betroffen, weil in ihrem Versorgungsgebiet große Autozulieferfirmen und eine Reihe großer Papierproduzenten beheimatet sind. Die Voest in Linz leidet ebenfalls stark unter der Wirtschaftsflaute, der Stahlkocher stellt aber einen Großteil der benötigten elektrischen Energie selbst her, sodass sich die Folgen für die Energie AG in dem Fall in Grenzen halten.

Auch Versorger in anderen Bundesländern, etwa in der Steiermark, klagen über Einbrüche. Im Verband der Elektrizitätswerke Österreichs spricht man von Absatzrückgängen von zehn bis 15 Prozent im Industriesegment. Der Stromverkauf an Haushaltskunden sei hingegen nicht zuletzt wegen des schneereichen Winters noch vergleichsweise gut.

Verbund

Der Verbund, der im 1. Quartal 2009 erstmals seit längerem einen Gewinnrückgang melden musste, ist von Produktionseinbrüchen bei Kunden noch halbwegs verschont geblieben. "Es ist ein Ausmaß, das uns noch nicht wahnsinnig weh tut", sagte eine Sprecherin.

Während in Deutschland große Versorger wie Eon oder RWE auf Vertragserfüllung pochen und Kunden, die weniger Strom brauchen als sie geordert haben mit Pönalezahlungen drohen, ist man in Österreich um Kulanz bemüht.

Bis zu zehn Prozent Mengenabweichung seien in den meisten Verträgen vorgesehen. Für alles, was darüber hinaus gehe, suche man gemeinsame Lösungen, etwa die Verschiebung des Bezugszeitraums in die Folgejahre.

Eine deutliche Zunahme der Handelsumsätze hat auch der Chef der Wiener Strombörse EXAA, Jürgen Wahl, registriert: "Vor einem Jahr hatten wir einen durchschnittlichen Umsatz von rund 6500 MW pro Tag, jetzt sind es 12.000 MW" . Das sei ein Hinweis, dass Stromversorger überschüssige Mengen am Spotmarkt verkaufen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2009)