Wieder ein Schriftsteller in Berlin. Im neuen Roman Feuer brennt nicht nennt Ralf Rothmann, für seinen Verlag auf dem Einbandzitat "Deutschlands bester Erzähler", den recht zurückgezogenen Fünfziger, auf dessen "proletarische Wurzeln" er nur verweist, Wolf. Mit der wesentlich jüngeren Alina lebt er seit Jahren, allerdings in getrennten Wohnungen - bis sie von West nach Ost in ein Heim am Rande der Stadt und damit in ein für Wolf zu enges Beieinander ziehen. Da trifft er seine frühere Geliebte Charlotte wieder, eine Unikarrierefrau aus dem Bilderbuch heutiger Wissengschaftlhuberei. Mit ihr vollführt er alle zwei Wochen einen für den Moment grenzenlos scheinenden, eindringlich geschilderten Sex, während Alina sich vorgeblich zu Besprechungen über ihre Doktorarbeit, in der es ausgerechnet um Mystik und Romantik geht, begibt.

Die Geschichte liest sich zwischendurch interessant, ist jedoch nicht gerade originell. Ihre Bausteine sind es ebenso wenig wie ihre Ausführung: eine Variante des (bald nach 1989 im deutschen Feuilleton eingeforderten) Berlinromans, durchaus gekonnte Stimmungsbilder auf den Spuren der DDR, Schreib- und Liebesmüh plus Sex im Detail und Poetologisches en gros; dazu eine Prise Küchenpsychologie, die obligatorische Kulturreise und ein genrehafter Literaturabend in der Botschaft.

In Paris räsoniert Wolf über die Liebe, beichtet er seine Liaison; Alina läuft weg, und zufällig stehen sie sich auf zwei Seiten einer Metrostation wieder gegenüber. Wie das Leben so spielt, bedenkt der Dichter. In einem Buch "würde er so ein Zusammentreffen niemals zulassen", zu offensichtlich wäre die Schicksalhaftigkeit - womit eben dies herausgestrichen ist.

Klischeehaft klingt auch die Versöhnung in Berlin: Er "berührte ihre Brüste wie zum ersten Mal", und sie kann "sich der neuen Unschuld zwischen ihnen nicht länger entziehen"; ja sie ermuntert ihn, weiterhin zu Charlotte zu gehen. Am Ende steht das Sentimentalische, von Rothmann in einem schon oft gelesenen Dreh als Fiktion in der Fiktion angedeutet, so dass das Erzählte womöglich aus Wolfs Manuskript sein könnte.

Atemholen der Zukunft

Über weite Strecken bleibt der Eindruck, dass Rothmann eher referiert als erzählt, eher Bedeutung behauptet als darstellt. So beginnt der Roman mit den Worten "Wie alltäglich" über gewöhnliche Bahnreisen, denen alsbald vor jeglicher Abfahrt ein besonderer Moment zugeschrieben ist, ein "Atemholen der Zukunft", wobei die meisten Menschen "einen Herzschlag lang demütig aussehen" .

Die andere Wahrnehmung des Schriftstellers von der Welt findet sich derart eher stilisiert, als "die wirklich poetischen Dinge" gelten abgenützte Bilder wie "die pelzige Unterseite eines Blattes" (das kennen wir von Handke seit langem). Kaum weniger gewöhnlich sind die Bemerkungen über Literatur, Betrieb und Schreiben: Jede Vision löse sich im Text auf und "jeder Text nach dem Druck gewissermaßen in Luft", also stehe der Autor "immer wieder vor dem Nichts" . Gewissermaßen? (Klaus Zeyringer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 09./10.03.2009)