"Integration wird immer mit dem Islam in Verbindung gebracht": Miloradovic

Dass der kroatische Sänger Thompson in Wien spielen durfte, sei eine "mittelschwere Katastrophe", sagt Darko Miloradovic vom Dachverband Serbischer Vereine in Wien. Die Stadt hätte das Konzert verbieten sollen. Unter serbischstämmigen WienerInnen gebe es eine allgemeine Unzufriedenheit: Beispielsweise sei keinE einzigeR VertreterIn der größten Zuwanderungsgruppe Wiens im Landtag vertreten. Diese Unzufriedenheit könnte der FPÖ einen stärkeren Zulauf bringen, meint Miloradovic, der überzeugt ist, dass Straches Buhlen um serbische Wählerstimmen dem Ansehen der Community schade.

derStandard.at: Der kroatische Sänger Thompson, bekannt für seine unscharfe Abgrenzung gegenüber dem Ustascha-Faschismus, trat letzten Samstag im Budo-Center auf (derStandard.at berichtete). Was sagen die serbischstämmigen WienerInnen dazu?

Miloradovic: Sie finden es skandalös. Es ist ja allseits bekannt, wofür Thompson steht. In Kroatien wurden mehrere Konzerte aufgrund seiner Geisteshaltung verboten. Auch in Kärnten letztes Jahr. Dass er in Wien spielen darf, ist eine mittelschwere Katastrophe.

derStandard.at: Geht es wirklich um Kritik am Neofaschismus – und nicht doch um serbisch-kroatische Konflikte?

Miloradovic: Absolut nicht. Es geht nicht darum, ob Thompson ein Serbe, Kroate, Türke, Österreicher oder Chinese ist, sondern allein darum, dass er ein faschistischer Sänger ist. Und viele KroatInnen in Wien teilen unsere Ansicht.

derStandard.at: Welche Bilder ruft Thompson in den Köpfen der Wiener SerbInnen hervor?

Miloradovic: Das Gutheißen der Ereignisse, die in Kroatien zwischen 1941 und 1945 passiert sind, wo Hundertausende Serben, Juden, Roma und Sinti zu Tode gekommen sind durch das Ustascha-Regime. Zum anderen hat die Ustascha auch im blutigen Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien ihre Rolle gepielt, da werden also auch Erinnerungen aus der jüngeren Geschichte wieder wach.

derStandard.at: Hätte die Stadt Wien das Konzert verbieten sollen?

Miloradovic: Die Stadt Wien hätte sich etwas intensiver umhören sollen. Man wusste ja schon seit Monaten, wer da kommt.

derStandard.at: Das Sportamt hatte aber eine Zusage der VeranstalterInnen, dass Thompson nicht auftreten werde.

Miloradovic: Natürlich kann man sagen, dass das Sportamt hintergangen wurde. Aber sie haben sich auf die Aussage einer Person einfach verlassen – wo man durch besseres Hinschauen schon hätte merken können, dass es dennoch in diese Richtung gehen wird. Noch am Tag der Veranstaltung war das Konzert angekündigt – keine Rede davon, dass Thompson doch nicht singen wird.

derStandard.at: Wie sollte man in Zukunft damit umgehen? Ein Auftrittsverbot für Thompson in ganz Wien?

Miloradovic: Nicht nur in Wien – in ganz Österreich.

derStandard.at: Auf welcher Rechtsgrundlage? Marko Perkovic ist nach dem österreichischen Verbotsgesetz nicht verurteilt.

Miloradovic: Das eine ist der rechtliche Rahmen. Das andere ist der moralische Rahmen. Und da hätte die Stadt Wien einen enormen Bedarf, solche Veranstaltungen zu untersagen.

derStandard.at: Ist Ihr Zorn über das Konzert auch Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit? Geht es hier um die Art, wie die Politik mit den SerbInnen umgeht?

Miloradovic: Nein, das muss man trennen. Das Thompson-Konzert ist eine moralische Frage, von der sich die SerbInnen emotional berührt fühlen. Und das andere ist, dass es natürlich eine Unzufriedenheit gibt.

derStandard.at: Was macht Sie unzufrieden?

Miloradovic: Wenn man sich den Wiener Landtag anschaut: Da gibt es keine einzige Person mit einem serbischen Hintergrund. Wenn ich mir anschaue, dass die Pensionisten, die Jugend, im Parlament auch die Bauern eine Vertretung haben, dass die Motorrad- und Autofahrer eine Vertretung haben: Warum nicht auch die größte Migrationsgruppe Wiens?

derStandard.at: Auch für TürkInnen ist es schwierig.

Miloradovic: Unsere türkischen FreundInnen sind in allen Parteien und auf allen Ebenen vertreten. Das ist ein spezifisch serbisches Problem.

derStandard.at: Um ironisch auf eine rechte Polemik anzuspielen: Vielleicht sind „die Türken" ja integrationswilliger.

Miloradovic: Fakt ist, dass die TürkInnen um Längen interessierter und engagierter sind als wir SerbInnen. Aber da muss man auch die Medien in die Pflicht nehmen: Wenn es um Integration geht, kommt in 80 Prozent der Zeitungsberichte kein einziger Serbe vor. Integration wird immer mit dem Islam in Verbindung gebracht. Alles andere wird ausgegrenzt und übervorteilt.

derStandard.at: Man kann es umdrehen und sagen: Über TürkInnen werde häufiger negativ berichtet, während man die SerbInnen eher „verschone".

Miloradovic: Wenn ein großes Kleinformat über Kriminalitätsraten schreibt, sind grundsätzlich die Serben die Bösen. Wir werden sicher nicht verschont.

derStandard.at: In den Parteien heißt es oft: „Sie brauchen ja nur zu uns kommen, gute Köpfe können wir immer brauchen." Sind die SerbInnen vielleicht zu wenig engagiert?

Miloradovic: Natürlich ist es nicht so, dass vor jeder Parteizentrale 300 SerbInnen warten, endlich hinein zu kommen. Versäumnisse gibt es nicht nur bei den Parteien, sondern auch bei den serbischen Vereinen. Aber es gibt Engagierte, und wir sollten uns gemeinsam überlegen, wie wir das aufholen. Denn wenn diese Zielgruppe in den Parteien nicht vertreten ist, dann tun sich diese Parteien auch enorm schwer, ihre Inhalte in diese Zielgruppe hinein zu tragen. Das ist ein Problem, denn dadurch wächst das Desinteresse an der Politik. Dementsprechend erfolgreich werden dann radikale Parteien sein.

derStandard.at: Sie spielen auf Heinz-Christian Strache an, der auf Plakaten mit dem serbischen Gebetsband Brojanica posierte. Wie gut kommt er damit bei den Serbischstämmigen an?

Miloradovic: Kann sein, dass er für eine begrenzte Gruppe einen gewissen Sympathiewert hat. Aber Strache kümmert sich ja nicht um die SerbInnen, sondern nur um ihre Stimmen. Das ist Heuchelei. Die Mehrheit will aber ohnehin nichts mit ihm zu tun haben – was nicht heißt, dass sie die Arbeit der anderen Parteien so supertoll finden.

derStandard.at: Schadet Strache dem Ansehen der Community?

Miloradovic: Eindeutig ja. Von den Medien wird es so dargestellt, als wären alle Serben Strache-Wähler und Nationalisten. In dieses Eck wollen wir uns nicht drängen lassen.

derStandard.at: Außenminister Michael Spindelegger meinte unlängst, Österreich sehe sich als „Anwalt Serbiens", was den EU-Beitritt und die Visa-Freiheit betrifft. Von Strache hört man nur: Wiedereinführung der Schengengrenze und ein sofortiger EU-Erweiterungsstopp. Das kann doch nicht im Sinne der SerbInnen sein.

Miloradovic: Richtig. Und es gibt eine enorme Verbundenheit der österreichischen SerbInnen mit dem serbischen Staat. Das muss sich die Politik immer vor Augen halten. Wir hoffen, dass Spindelegger nicht nur ein Anwalt, sondern auch ein erfolgreicher Anwalt sein wird. Allein schon aus Eigeninteresse – schließlich ist Österreich der größte ausländische Investor in Serbien.

derStandard.at: Österreich soll seine außenpolitische Linie nach den Bedürfnissen der AustroserbInnen richten?

Miloradovic: Nein, auf keinen Fall. Aber nur ein Beispiel: Dass Österreich als erstes Land den Kosovo anerkannt hat, war schon sehr ungeschickt. Da wäre die Regierung gut beraten gewesen, ein bisschen mehr auf uns zu hören.

derStandard.at: Man hätte erst als fünftes oder sechstes Land zustimmen sollen?

Miloradovic: Zum Beispiel – einfach aus symbolischen Gründen. Es hat ja niemand gedacht, dass Österreich seine außenpolitische Position zu dem Thema ändern würde – aber eine gewisse Sensibilität hätten wir uns schon erwartet.

derStandard.at: Wie oft trifft man Sie nächtens in der Ottakringerstraße?

Miloradovic: Ich halte Ottakring für einen der lebenswertesten Bezirke Wiens. Insofern relativ häufig.

derStandard.at: Ist das eine Art Parallelgesellschaft?

Miloradovic: Der erste Bezirk ist eine Parallelgesellschaft. Wenn ich den Kohlmarkt entlang gehe, bin ich in einer anderen Welt. Ottakring ist keine Parallelgesellschaft.

derStandard.at: Wie viele WienerInnen ohne Migrationshintergrund trifft man in den sogenannten Balkanlokalen?

Miloradovic: Interessanterweise seit dem letzten halben Jahr immer häufiger. Es gibt nicht mehr nur negative Berichterstattung. Und es wäre ja das Ziel, dass alle hingehen.

derStandard.at: Was versäumen WienerInnen, die noch die dort waren?

Miloradovic: Eine intensive Art des Feierns, der Freundschaft, des Zusammengehörens. Darum kann ich allen WienerInnen nur empfehlen, da hin zu gehen.

derStandard.at: Feiern SerbInnen intensiver?

Miloradovic: Intensiver und häufiger (lacht).

derStandard.at: Auch lauter?

Miloradovic: Ein bisschen lauter vielleicht. Wir reden ja auch lauter. Aber das ist ja nichts Schlechtes. In Wien nimmt man das oft so wahr, dass man es gleich böse meint, wenn man lauter spricht. Aber das stimmt nicht.

derStandard.at: Die AnrainerInnen in der Ottakringerstraße?

Miloradovic: Ich glaube, die haben ihren Frieden geschlossen mit den Lokalbesitzern. Es ist ja im Interesse aller, wenn es ein gesundes Miteinander gibt. Es gibt immer Leute, die sich aufregen. Aber was ist der Unterschied, wenn Anrainer im ersten oder im 16. Bezirk ist und ein Lokal unter sich hat? Beides ist laut. (Maria Sterkl, derStandard.at, 13.5.2009)